37Kündigung wegen vermehrter Krankenstände: Mittelbare Diskriminierung aufgrund einer Behinderung?
Kündigung wegen vermehrter Krankenstände: Mittelbare Diskriminierung aufgrund einer Behinderung?
Eine Kündigung wegen vermehrter Krankenstände kann eine mittelbare Diskriminierung bewirken, wenn Fehlzeiten wegen einer mit einer Behinderung im Zusammenhang stehenden Krankheit undifferenziert Zeiten allgemeiner „schlichter“ Krankheiten gleichgesetzt werden. Eine mittelbare Diskriminierung aufgrund einer Behinderung liegt aber nicht vor, wenn die für die Kündigung maßgeblichen Fehlzeiten zwar auf eine Erkrankung zurückzuführen sind, diese aber nicht mit einer Behinderung in Zusammenhang stand, weil sie präoperativ zu keiner Funktionsbeeinträchtigung geführt hatte, operativ saniert werden konnte und sich die Funktionsbeeinträchtigungen in der Folge erst aus dem postoperativen Heilungsverlauf ergaben. Hier liegt kein Fall vor, in dem der/89die AN aufgrund einer Behinderung typischerweise ein zusätzliches Risiko von Krankenständen gehabt hätte.
Bei der seit 10.9.2007 bei der Bekl beschäftigten Kl wurde 2015 eine Wanderniere diagnostiziert, die am 8.2.2016 operativ fixiert wurde. Nach Beendigung des Krankenstands (bis einschließlich 26.4.2016) sollten laut Arztbrief vom 21.3.2016 für einen Zeitraum von drei Monaten Hebetätigkeiten über 10 kg vermieden werden; einem weiteren Arztbrief vom 30.5.2016 zufolge waren Überkopfarbeiten und Bücken zum Heben im Stand für ca drei Monate „wenn arbeitstechnisch möglich“ zu vermeiden. Danach gab es keine weiteren ärztlichen Empfehlungen, dass die Kl bestimmte Arbeitsvorgänge meiden sollte. Die erwähnten Einschränkungen wurden bei der Einteilung der Kl stets berücksichtigt. Die Kl äußerte sich auch nach Vorlage der Arztbriefe bei keinem ihrer Vorgesetzten dahin, dass sie Schmerzen aufgrund der Operation oder Probleme bei der Ausführung ihrer Arbeit habe.
Im Jahr 2017 ordnete der Vorstand der Bekl aus Kostengründen eine Personalreduktion an. Der Abteilungsleiter schlug ua die Kl für die Kündigung vor, da sie die jüngste Mitarbeiterin seiner Abteilung war und sie in den letzten Jahren auch viele Fehlzeiten hatte. Wenn die Krankenstände im Zusammenhang mit der Wanderniere nicht vorgelegen wären, wäre die Kl von der Bekl nicht gekündigt worden.
Zum Kündigungszeitpunkt lag keine Funktionsbeeinträchtigung durch die Wanderniere mehr vor. Auch vor der Operation gab es keine Funktionseinschränkung mit Ausnahme der Schmerzsymptomatik. Bei der Kl bestand jedoch seit 2009 und auch noch zum Kündigungszeitpunkt ein chronisches Zervikalsyndrom. Davon ausgehend war die Kl zum Kündigungszeitpunkt in der Lage, leichte, mittelschwere und fallweise schwere Arbeiten zu verrichten. Ausgeschlossen sind bei ihr Arbeiten bei ständiger Nässe/Kälte/Hitze sowie mehr als fallweise Überkopfarbeit. Der Grad der Funktionsbeeinträchtigung aufgrund des Zervikalsyndroms beträgt 10 bis 20 %. Bei Einhaltung des genannten Kalküls besteht keine Funktionsbeeinträchtigung der Kl, sodass die Teilhabe am Arbeitsleben gewährleistet ist.
Des Weiteren bestand bei der Kl seit 2009 und auch zum Kündigungszeitpunkt eine chronische Anämie, die sich in Müdigkeit äußert, eine weitere Funktionsbeeinträchtigung besteht daraus resultierend nicht. Die Kl war zum Kündigungszeitpunkt in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten ohne weitere Einschränkungen durchzuführen. Der Grad der Funktionsbeeinträchtigung aufgrund der Anämie beträgt 10 %.
Von den insgesamt 137 Krankenstandstagen in den Jahren 2014 bis 2017 sind 20 Tage auf das chronische Zervikalsyndrom und 79 Tage auf die Wandernierenoperation zurückzuführen; alle übrigen Krankenstände gehen auf andere Erkrankungen zurück. Keiner der Krankenstände stand im Zusammenhang mit der Anämie der Kl.
Die Kl begehrt mit ihrer Klage, die Kündigung gem § 7f BEinstG für rechtsunwirksam zu erklären. Der Kündigung liege zumindest eine mittelbare Diskriminierung wegen Behinderung zu Grunde.
Die Bekl beantragte Klagsabweisung und wandte insb ein, die Kl sei nicht aufgrund ihrer Wanderniere gekündigt worden. „Krankheit“ und „Behinderung“ seien im Übrigen nicht gleichzusetzen, die Berufung auf das BEinstG sei verfehlt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die Kündigung weder im mittelbaren noch unmittelbaren Zusammenhang mit einer Behinderung der Kl gestanden sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge und erklärte die Kündigung für rechtsunwirksam. Zwar seien die Anämie und das Zervikalsyndrom keine ausreichende Beeinträchtigung iSd § 3 BEinstG, dazu seien die Beeinträchtigungen bzw Krankenstände viel zu gering. Ausgehend von der Annahme einer Hebebeschränkung mit 10 kg bis Ende 2016 sei der Kl aber der Nachweis gelungen, dass bei ihr eine Behinderung iSd § 3 BEinstG (aufgrund der Wanderniere) bestanden habe, deretwegen bzw aufgrund deretwegen aufgelaufener Fehlzeiten (zumindest mitursächlich) die Kündigung erfolgt sei. Die gerichtliche Anfechtung der Beendigungserklärung iSd § 7f BEinstG sei daher berechtigt.
Der OGH sah die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Bekl als zulässig und berechtigt an.
„[…]
3. Eine „Funktionsbeeinträchtigung“ bzw eine „Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen“ iSd § 3 BEinstG ist nach herrschender Ansicht eine Einschränkung jener Funktionen, die bei einem gesunden Gleichaltrigen in der Regel vorhanden sind […]. Nicht jede Funktionsbeeinträchtigung ist allerdings auch eine Behinderung […]. Zusätzlich ist erforderlich, dass die Auswirkung der Beeinträchtigung die Teilhabe des Betroffenen am Arbeitsleben erschweren kann […]. Die Funktionsbeeinträchtigung darf zudem nicht nur vorübergehend sein.
[…]
6. […]
Relevante Funktionsbeeinträchtigungen können sich […] auch als Folge einer Krankheit ergeben 91 und den Behinderungstatbestand verwirklichen (vgl nur Auer-Mayer in Widy, Behinderteneinstellungsgesetz8 § 3 Erl 6 mwN).
Es entspricht auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Krankheit und Behinderung nicht ohne weiteres miteinander gleichgesetzt werden können (9ObA165/13z&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">9 ObA 165/13z ua). Krankheit kann als solche nicht als ein weiterer Grund neben den Gründen angesehen werden, derentwegen Personen zu diskriminieren nach der RL 2000/78/EG verboten ist. Läuft eine undifferenzierte Berechnung krankheitsbedingter Fehlzeiten eines Arbeitnehmers aber darauf hinaus, dass Fehlzeiten wegen mit einer Behinderung im Zusammenhang stehenden Krankheit Zeiten allgemeiner „schlichter“ Krankheiten gleichgesetzt werden, so kann dies aber eine mittelbare Diskriminierung eines Arbeitnehmers bewirken. Ein behinderter Arbeitnehmer hat nämlich aufgrund seiner Behinderung typischerweise ein zusätzliches Risiko von mit seiner Krankheit zusammenhängenden Krankenständen und ist auf diese Weise einem höheren Risiko im Zusammenhang mit der Beendigung seines Dienstverhältnisses ausgesetzt als ein nicht behinderter […].
[…]
9. Hier steht fest, dass die Beklagte im Zuge der Personalreduktion das Dienstverhältnis der Klägerin deshalb kündigte, weil die Auswahl „aufgrund der vielen Fehlzeiten“ auf sie gefallen war und die Kündigung nicht ausgesprochen worden wäre, wenn die Krankenstände im Zusammenhang mit der Wanderniere nicht vorgelegen wären. Die Kündigung erfolgte sohin nicht wegen einer Behinderung (Funktionsbeeinträchtigung), sondern wegen der Krankenstände der Klägerin, in denen auch ihre Fehlzeiten begründet waren. […] Waren aber ausschließlich die „Fehlzeiten“ der Klägerin der Grund für ihre Kündigung, wurde die Klägerin nicht unmittelbar aufgrund einer Behinderung diskriminiert. […]
10. Das Vorgesagte schließt allerdings das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung noch nicht aus.
[…] Wie dargelegt, kann es auch eine mittelbare Diskriminierung eines Arbeitnehmers bewirken, wenn eine undifferenzierte Berechnung krankheitsbedingter Fehlzeiten eines Arbeitnehmers darauf hinausläuft, dass Fehlzeiten wegen mit einer Behinderung im Zusammenhang stehenden Krankheit Zeiten allgemeiner „schlichter“ Krankheiten gleichgesetzt werden (oben Pkt 6.).
11. Im vorliegenden Fall lässt sich dem festgestellten Sachverhalt – anders als vom Berufungsgericht angenommen – nicht mit Gewissheit entnehmen, dass die Klägerin überhaupt eine Funktionsbeeinträchtigung iSd § 3 BEinstG in der für das Vorliegen einer Behinderung erforderlichen Dauer von mehr als sechs Monaten gehabt hätte:
Zum Zervikalsyndrom und zur Anämie wurden zwar prozentuell Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt, sie gewährleisteten aber bei Einhaltung des festgestellten Kalküls die Teilhabe am Arbeitsleben. Die Wanderniere hatte im Zustand vor der Operation zwar eine Schmerzsymptomatik, aber keine Funktionseinschränkung bei der Klägerin zur Folge, womit sie per se zu keiner Behinderung führte. Für den postoperativen Heilungsprozess ging das Berufungsgericht unter Verweis auf die Feststellung „insbesondere Hebebeschränkung mit 10 kg bis Ende 2016“ von einer Funktionsbeeinträchtigung bei der Klägerin von jedenfalls über einem halben Jahr aus. Ex post betrachtet war bei der Klägerin keine so lange Funktionsbeeinträchtigung gegeben. Ex ante betrachtet (operationsbedingter Beginn des Krankenstands am 8.2.2016) geht aus den Feststellungen hervor, dass der Operateur eine Hebebeschränkung von maximal 10 kg bis Ende 2016 ausgesprochen hatte. Die die Klägerin behandelnde Ärztin empfahl dagegen mit Arztbrief vom 21.3.2016 als Therapievorschlag, dass die Klägerin in den nächsten drei Monaten (sohin bis 21.6.2016) nicht über 10 kg heben sollte, und mit Arztbrief vom 30.5.2016, dass sie, „wenn arbeitstechnisch möglich“, noch Überkopfarbeiten und Bücken zum Heben im Stand für ca drei Monate (sohin bis Ende August 2016) vermeiden sollte. Der zuletzt genannte Vorschlag der behandelnden Ärztin wurde damit nicht unbedingt, sondern nur noch nach Maßgabe der arbeitstechnischen Möglichkeiten ausgesprochen, woraus auf eine ärztliche Empfehlung, nicht aber auf eine jedenfalls bestehende Funktionseinschränkung zu schließen ist. Nach Ende August 2016 (sohin spätestens nach sechs Monaten und 22 Tagen nach der Operation) bestanden festgestelltermaßen keine weiteren Einschränkungen bei der Klägerin mehr. Es gab insbesondere auch keine weiteren Empfehlungen der behandelnden Ärztin zur Vermeidung bestimmter Arbeitsvorgänge. Angesichts dieser Feststellungen zu den unterschiedlichen Empfehlungen der Ärzte wäre aber auch prognostisch gesehen noch keine Funktionsbeeinträchtigung erwiesen, die „voraussichtlich“ jedenfalls von „langer Dauer“ im Sinn von einer mehr als sechsmonatigen Beschränkung gewesen wäre.
12. Die unterschiedlichen Prognosen der Ärzte zum postoperativen Schonbedarf der Klägerin nach dem Krankheitsbild Wanderniere bedürfen hier aber auch keiner weiteren Aufklärung:
Nach der zitierten Rechtsprechung kann sich eine mittelbare (hier: Kündigungs-)Diskriminierung aus dem undifferenzierten Heranziehen auch von Fehlzeiten wegen mit einer Behinderung im Zusammenhang stehenden Krankheit ergeben. Hier liegen jedoch keine solchen Fehlzeiten vor, weil die maßgeblichen Fehlzeiten der Klägerin zwar primär auf die in der Wanderniere gelegene Erkrankung zurückzuführen waren (wie vom Berufungsgericht ausgeführt, verursachten das Zervikalsyndrom und die Anämie keine nennenswerten Krankenstände). Diese Erkrankung stand aber mit keiner Behinderung im Zusammenhang, weil die Wanderniere präoperativ zu keiner Funktionsbeeinträchtigung 91geführt hatte, operativ saniert werden konnte und sich die Funktionsbeeinträchtigungen in der Folge erst aus dem postoperativen Heilungsverlauf ergaben. Ein Fall, in dem die Klägerin aufgrund einer Behinderung typischerweise ein zusätzliches Risiko von Krankenständen gehabt hätte, liegt sohin nicht vor.
13. Ungeachtet dessen waren die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin im Kündigungszeitpunkt – sohin nahezu ein Jahr nach ihrem Krankenstand und etliche Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem sie keinen Funktionseinschränkungen mehr unterlag – nach den im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbaren Feststellungen auch nicht mehr gegeben. Selbst wenn man die Klägerin vorübergehend als iSd § 3 BEinstG behindert ansähe, gehörte sie im Kündigungszeitpunkt nicht der geschützten Personengruppe der Behinderten an. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass Personen auch wegen einer in der Vergangenheit liegenden Behinderung (zB infolge einer ausgeheilten funktionsbeeinträchtigenden Krankheit) gekündigt werden und insofern der dargestellte innere Zusammenhang zwischen der gegenüber einem Arbeitnehmer gesetzten Verhaltensweise und dem geschützten Merkmal noch zu bejahen sein könnte (diesfalls als unmittelbare Diskriminierung). Dies war aber auf der Motivebene des Arbeitgebers nicht der Fall. Liegt der Verhaltensweise aber ein an sich neutrales Kriterium zu Grunde, ist ein solcher innerer Zusammenhang bei Personen, die nicht oder nicht mehr dem geschützten Personenkreis angehören, nicht gegeben. Eine mittelbare Diskriminierung ist in diesem Zusammenhang daher zu verneinen.
14. Das gilt auch für die Klägerin. Da sie im Kündigungszeitpunkt nicht (mehr) behindert war, scheidet eine auf ihre Krankenstände gestützte Kündigung als Grund einer allenfalls mittelbaren Diskriminierung iSd § 7c Abs 2 BEinstG sohin ebenfalls aus.“
Im vorliegenden Fall hatte sich der OGH mit der im Einzelfall nicht immer einfachen Abgrenzung zwischen Krankheit und Behinderung auseinanderzusetzen. Die maßgeblichen Linien in dieser Frage sind bereits durch die Judikatur des EuGH vorgezeichnet. So ist mittlerweile durch die Rsp geklärt, dass Krankheit zwar für sich genommen weder mit Behinderung gleichzusetzen ist noch ein eigenständiges diskriminierungsrechtlich geschütztes Merkmal darstellt, dass jedoch allfällige, sich aus einer Krankheit ergebende längerfristige Einschränkungen den Begriff der Behinderung erfüllen können, wenn sie iSd § 3 BEinstG geeignet sind, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren (EuGH 11.4.2013, C-335/11, Ring und Werge). Somit rückt auch in diesen Fällen die soziale Dimension des diskriminierungsrechtlichen Behinderungsbegriffes in den Mittelpunkt der Betrachtung: Nicht die Gesundheitsbeeinträchtigung selbst stellt eine Behinderung dar, diese ergibt sich vielmehr erst daraus, dass die aus der Krankheit resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen für die betroffene Person in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren zu einer Erschwerung der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben führten.
Konkret hatte der OGH nun im aktuellen Fall die Frage zu klären, ob die primär mit gehäuften Krankenständen begründete Kündigung der Kl eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung darstellt. Das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung verneint der OGH mit der Begründung, dass die Kl nicht wegen einer Behinderung bzw einer konkreten Funktionsbeeinträchtigung, sondern wegen der gehäuft aufgetretenen Fehlzeiten gekündigt worden ist. Er stellt jedoch in weiterer Folge klar, dass dies uU eine mittelbare Diskriminierung wegen einer Behinderung darstellen könnte, und zwar dann, wenn es sich bei den zur Kündigung führenden Fehlzeiten (jedenfalls) zum Teil um Krankenstände aufgrund einer Krankheit handelte, die mit einer Behinderung iSd § 3 BEinstG bzw der RL 2000/78/EG verknüpft ist. Die betriebliche Entscheidung zur Kündigung von AN mit langen und/oder häufigen Krankenständen führt nämlich für jene AN, die behinderungsbedingt ein höheres Erkrankungsrisiko haben, zu einem erhöhten Risiko des Arbeitsplatzverlustes, wenn der AG bei seiner Entscheidung über die Kündigung nicht zwischen behinderungsbedingten und „schlichten“ Krankenständen differenziert. So weit, so klar – im vorliegenden Fall zeigt sich aber, dass diese Unterscheidung nicht immer so einfach zu treffen ist.
Mehrere Faktoren erschweren in der konkreten Konstellation eine schematische Anwendung der geschilderten Grundsätze. So lagen bei der Kl zum einen gleich mehrere Krankheiten vor, hinsichtlich derer jeweils für sich genommen zu prüfen war, ob damit eine Behinderung iSd BEinstG verbunden ist. Des Weiteren hatte gerade jene Erkrankung, die nach den Feststellungen die für die Kündigung ausschlaggebenden Fehlzeiten verursacht hatte, bis zur Operation keine Funktionseinschränkungen (und somit keine Behinderung iSd BEinstG) nach sich gezogen; unterschiedliche ärztliche Einschätzungen erschwerten die Beurteilung, ob die vorübergehenden postoperativen Einschränkungen der beruflichen Einsetzbarkeit für sich genommen zu einer Behinderung iSd § 3 BEinstG geführt hatten. Dazu kam schließlich als weitere Besonderheit, dass die operativ sanierte „Wanderniere“ jedenfalls zum Kündigungszeitpunkt keine Behinderung iSe Erschwerung der Teilhabe am Arbeitsleben mehr verursacht hatte.
Der OGH trifft in dieser E einige wichtige Klarstellungen. So hält er insb fest, dass der Diskriminierungsschutz nicht schon deshalb wegfällt, weil 92zum Kündigungszeitpunkt keine Behinderung mehr vorliegt: Eine Kündigung kann auch dann diskriminierend sein, wenn ihr Motiv unmittelbar in einer in der Vergangenheit liegenden Behinderung liegt. Die Möglichkeit einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund einer früher bestehenden, zum Kündigungszeitpunkt aber nicht mehr vorliegenden Behinderung scheint der OGH dagegen auszuschließen.
Die Abweisung der Klage begründet der OGH aber vor allem damit, dass es sich bei den für die Kündigung maßgeblichen Krankenständen wegen der „Wanderniere“ um keine behinderungsbedingten Fehlzeiten gehandelt habe, deren undifferenzierte Einbeziehung in die Kündigungsentscheidung dem Diskriminierungsverbot des § 7b Abs 1 Z 7 iVm § 7c Abs 2 BEinstG zuwiderlaufen würde. Den betreffenden Fehlzeiten lag zwar eine Erkrankung zugrunde. Diese hatte aber bis zur Operation keine Funktionsbeeinträchtigungen nach sich gezogen, erst im postoperativen Stadium, also nach dem Krankenstand, war die berufliche Einsetzbarkeit der Kl für einen bestimmten Zeitraum eingeschränkt. In dieser Konstellation liegt dem OGH zufolge aber kein durch eine Behinderung bedingtes zusätzliches Krankenstandsrisiko vor, sodass in weiterer Folge auch das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung zu verneinen ist.
Nicht restlos klar ist, welchen Stellenwert der OGH in der vorliegenden E den anderen, neben der „Wanderniere“ bestehenden chronischen Erkrankungen der Kl zumisst. Der OGH weist einerseits darauf hin, dass diese Erkrankungen ohnehin keine nennenswerten Krankenstände verursacht haben, für die Kündigung also wohl letztlich nicht einmal mittelbar ausschlaggebend waren. Andererseits begründet der OGH seine Zweifel am Vorliegen einer Behinderung jedoch auch damit, dass mit der Anämie und dem Zervikalsyndrom zwar gewisse Funktionseinschränkungen verbunden waren, aber „bei Einhaltung des festgestellten Kalküls“ die Teilhabe am Arbeitsleben gewährleistet gewesen sei. Dies könnte dahingehend verstanden werden, dass trotz bestehender Funktionseinschränkungen keine Behinderung vorliegt, wenn am konkreten Arbeitsplatz auf diese Beeinträchtigungen Rücksicht genommen wird. In einer anderen Entscheidung hat der 8. Senat des OGH dagegen unter Berufung auf zahlreiche Stimmen in der Lehre – ohne sich freilich endgültig festzulegen – betont, dass vieles für eine abstrakte Prüfung des Vorliegens einer Behinderung spreche (vgl OGH 8 ObA 66/18s DRdA-infas 2019/46, 77 [Tinhof]). Es bleibt also abzuwarten, wie sich der OGH in zukünftigen Fällen in dieser Frage positionieren wird.