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Verfall des Überstundenentgelts nach dem IT-KollV 25

ERNSTEYPELTAUER (LINZ)
  1. Bei einer pauschalen Abgeltungsvereinbarung von Überstunden kann die Frist für den Verfall von Überstundenentgelt nicht vor dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem ein Anspruch erstmals geltend gemacht werden kann. In der Regel ist dieser Zeitpunkt mit dem Ende des Durchrechnungszeitraumes anzusetzen.

  2. Vernünftigen Kollektivvertragsparteien kann nicht unterstellt werden, dass die Verfallsfrist für die Entlohnung von Überstunden bereits zu einem Zeitpunkt zu laufen beginnen soll, in dem die Berechtigung des Anspruchs noch nicht feststellbar ist.

  3. Überstundenentlohnungen nach dem IT-KollV verfallen bei einer pauschalen Abgeltungsvereinbarung nicht binnen vier Monaten nach dem Tage der Überstundenleistung, sondern binnen vier Monaten nach dem Ende des Durchrechnungszeitraums. Dieser ist mangels anderer Vereinbarung das Kalenderjahr.

Der Kl war von 19.2.2015 bis 30.11.2015 bei der Bekl als Außendienstmitarbeiter mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war der KollV für Angestellte in Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatisierten Datenverarbeitung und Informationstechnik („IT-KollV“) anzuwenden. Als Bruttomonatsentgelt war ein Fixum in Höhe von 3.801 € zuzüglich einer allfälligen Prämie und dem Sachbezug für die Privatnutzung des Firmen- Pkws in Höhe von 511,50 € vereinbart.

Der Arbeitsvertrag enthält ua folgende Regelungen:

„6. Einstellung und Entgelt(...)Insofern der tatsächliche Bezug (Fixum, Prämie und Sachbezug für die Privatnutzung des Firmen-Pkws) des Arbeitnehmers das kollektivvertragliche Gehalt übersteigt, sind damit sämtliche Mehrleistungen, insbesondere Mehr-/Überstunden, geleistete Arbeit an Samstagen und Sonn-/Feiertagen, pauschal abgegolten und werden nicht gesondert verrechnet. (...)7. Arbeitszeit(...)7.7. Die Gleitzeitperiode beträgt 12 Monate und ist mit dem Kalenderjahr identisch.7.8. Das zum Ende der Gleitzeitperiode bestehende Zeitguthaben ist mit dem in Punkt 6. vereinbarten All-in-Gehalt zur Gänze abgegolten.(...)15. Verfall von Ansprüchen(...) Für den Verfall von Überstundenentgelten gilt § 5 Z I Abs 1 des anzuwendenden Kollektivvertrags. (...)“

[...] Insgesamt hat der Kl 3.776,30 € brutto Überzahlung gegenüber dem Kollektivvertragslohn erhalten.

Während aufrechtem Dienstverhältnis erfolgte vom Kl keine Geltendmachung von Entgelt für allfällige darüber hinaus geleistete Überstunden.

Der Kl begehrt Zahlung von 3.831,93 € sA und bringt vor, es handelt sich dabei um das Entgelt für von ihm geleistete Überstunden und Mehrarbeit, die nicht durch die überkollektivvertragliche Bezahlung abgegolten seien. Aufgrund der getroffenen All-in-Vereinbarung sei es frühestens am Ende des Dienstverhältnisses erkennbar gewesen, ob und in welchem Ausmaß Überstunden, die diese Vereinbarung übersteigen, angefallen seien. Die Verfallsfrist habe erst zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen. Ein Verfall sei daher nicht eingetreten.

Die Bekl bestreitet und bringt vor, dass der Kl bis Oktober 2015 37,98 Überstunden geleistet habe, das dafür zustehende Entgelt von 1.514,28 € finde in der Überzahlung im Rahmen der All-in-Vereinbarung Deckung. Durchrechnungszeitraum für die Überstunden sei dabei mangels abweichender Vereinbarung das Kalenderjahr. Der Kl habe während aufrechtem Dienstverhältnis keinen Einspruch gegen die Arbeitsaufzeichnungen der Bekl, die von ihm selbst geführt worden seien, erhoben. Aus dem KollV ergebe sich, dass die Abgeltung allfällig geleisteter Überstunden binnen vier Monaten nach dem Tag der Überstundenleistung geltend gemacht werden müssten, widrigenfalls die Ansprüche verfallen. [...]

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...]

Der dagegen erhobenen Berufung des Kl gab das Berufungsgericht nicht Folge. Würden, wie vom Kl behauptet, die geleisteten Mehr- und Überstunden erst innerhalb von vier Monaten nach einem einjährigen Beobachtungszeitraum bekanntgegeben werden müssen, würde dies dem mit der Verfallsklausel allgemein beabsichtigten Zweck der Verhinderung des bei verspäteter Geltendmachung entstehenden Beweisnotstands des AG widersprechen. Es sei daher auch für Pauschalvereinbarungen davon auszugehen, dass Mehr- und Überstunden innerhalb von vier Monaten ab dem Tag der Erbringung geltend zu machen seien. Nach Ablauf des Beobachtungszeitraums sei zu überprüfen, ob diese Stunden in der Pauschale bzw der All-in-Vereinbarung gedeckt seien. Ein allenfalls bestehender Anspruch unterliege dann seinerseits der Verfallsfrist, die jedoch frühestens mit Abrechenbarkeit beginne. Der Sachverhalt der E 9 ObA 166/13x sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil sich die geleisteten Mehr- und Überstunden dort aus den für den AG geführten Arbeitszeitaufzeichnungen ergeben hätten, die für den AG jederzeit verfügbar gewesen seien. [...]

Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, da der Auslegung von Kollektivverträgen grundsätzlich eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukomme. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und iSd Aufhebungsantrags auch berechtigt. [...]

1. Der IT-KollV enthält nachstehende Regelung:

„§ 5 Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit, Mehrarbeit bei Teilzeit253I. Generelle Regelungen (unabhängig vom Arbeitszeitmodell):1. (...)Die Überstundenentlohnungen bzw deren Abgeltung in bezahlter Freizeit müssen binnen vier Monaten nach dem Tage der Überstundenleistung geltend gemacht werden, widrigenfalls der Anspruch verfällt. Als Geltendmachung von Überstunden bzw Gutstunden gelten die betrieblichen Arbeitszeitaufzeichnungen.(...)5. Wird ein Überstundenpauschalentgelt oder eine All-inclusive-Vereinbarung getroffen, so hat für die Berechnung der monatlichen Pauschalsummen der Grundsatz zu gelten, dass sie der durchschnittlich geleisteten Überstundenzahl entspricht, wobei die Überstundenzuschläge ebenfalls einzurechnen sind. (...)“

2. Sowohl der Kl als auch das Berufungsgericht beziehen sich in ihren Ausführungen auf die E 9 ObA 166/13x. In dieser war eine Verfallsbestimmung im KollV für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting zu beurteilen. Auch in diesem KollV war vorgesehen, dass der (richtig: vom) AN bei sonstigem Verfall Entgeltansprüche binnen vier Monaten nach dem Tag der Überstundenleistung geltend gemacht werden müssen. In seiner E ging der OGH davon aus, dass unzweifelhaft der kollektivvertraglich vorgesehene Beginn des Fristenlaufs („nach dem Tag der Überstundenleistung“) auf die Geltendmachung von Entgelt für geleistete Überstunden bezogen werden könne, für die keine Pauschale vereinbart wurde. Im Fall der Vereinbarung einer Überstundenpauschale könne für den Beginn der Verfallsfrist für Überstunden aber frühestens jener Zeitpunkt in Frage kommen, zu dem die Überstunden eines Beobachtungszeitraums abrechenbar seien. Mangels Vereinbarung eines kürzeren Zeitraums sei dieser Beobachtungszeitraum mit einem Kalenderjahr anzunehmen.

Das Berufungsgericht sah den Unterschied zwischen dem dieser E zugrunde liegenden Sachverhalt und dem vorliegenden darin, dass die geleisteten Überstunden für den AG aufgrund der Aufzeichnungen immer nachvollziehbar gewesen seien.

Dem Berufungsgericht ist darin Recht zu geben, dass der Zweck der Verfallsfrist für Überstundenentgelt vor allem darin liegt, dass bei Geltendmachung des Entgelts für längere zurückliegende Überstunden regelmäßig schwierige Beweisprobleme auftreten (RIS-Justiz RS0034408, RS0034417). Das Berufungsgericht übersieht jedoch, dass die kollektivvertragliche Bestimmung vorsieht, dass der AN die Überstundenentlohnung bzw deren Abgeltung in bezahlter Freizeit binnen vier Monaten geltend machen muss, nicht den bloßen Umstand, dass Überstunden geleistet wurden.

Anders als bei der Einzelabrechnung von Überstunden sind pauschale Abgeltungsvereinbarungen nur insoweit gültig, als die zwingenden kollektivvertraglichen Ansprüche des AN nicht gekürzt werden dürfen. Es ist daher im Rahmen einer Deckungsprüfung zu überprüfen, ob eine Überzahlung, mit der zeitliche Mehrleistungen abgegolten sein sollten, der Höhe nach die vom AN geleisteten Überstunden zuzüglich der Zuschläge abdeckt (Kühteubl, DRdA 2014/52). Erst am Ende des Beobachtungszeitraums lässt sich daher feststellen, ob ein Nachzahlungsanspruch besteht (Burger, All-in-Vereinbarungen, ZAS 2015, 111).

Auch in der E 9 ObA 166/13x wurde darauf hingewiesen, dass für die Geltendmachung von Überstunden, die in Durchschnittsbetrachtung nicht mehr von einer Pauschale abgedeckt werden, zu berücksichtigen ist, dass erst nach Beendigung des Beobachtungszeitraums errechnet werden kann, ob überhaupt Überstunden vorliegen, die neben einer Pauschale noch gesondert zu entlohnen sind. Vernünftigen Kollektivvertragsparteien kann aber nicht unterstellt werden, dass die Verfallsfrist auch für die Entlohnung dieser Überstunden bereits zu einem Zeitpunkt zu laufen beginnen soll, in dem die Berechtigung des Anspruchs noch nicht feststellbar ist.

Würde man vom AN verlangen, auch bei einer Pauschalvereinbarung die bloße Tatsache, dass eine Überstunde geleistet wurde, bei sonstigem Verlust von Ansprüchen binnen vier Monaten geltend zu machen, hätte die Unterlassung der Geltendmachung die Konsequenz, dass Ansprüche auf Entgelt bereits verfallen können, bevor sie entstanden sind. Ein solches Ergebnis lässt sich aber weder mit dem Wortlaut des KollV noch mit dem Zweck einer leichteren Beweisbarkeit für den AG rechtfertigen. Bei einer Pauschalvereinbarung kann daher die Frist für den Verfall von Überstundenentgelt nicht vor dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem ein Anspruch erstmals geltend gemacht werden kann. In der Regel ist dieser Zeitpunkt mit dem Ende des Durchrechnungszeitraums anzusetzen. Dieser ist mangels anderer Vereinbarung das Kalenderjahr (RIS-Justiz RS0051788; Peschek/Unterrieder, Arbeitszeitaufzeichnungen und Verfall seit dem ASRÄG 2014, ecolex 2015, 230; Gerhartl, Rechtsfragen des Überstundenpauschales, ecolex 2015, 1085).

Dass im konkreten Fall ein anderer Durchrechnungszeitraum als ein Jahr vereinbart worden wäre oder aus besonderen Umständen anzunehmen ist, hat keine der Parteien behauptet, im Gegenteil hat sich die Bekl selbst auf den einjährigen Durchrechnungszeitraum bezogen.

Davon ausgehend ließ sich aber für den Kl ein allfälliger Anspruch auf Überstundenentgelt, das nicht von der All-in-Vereinbarung abgedeckt ist, erst mit Ende des (kürzer als ein Jahr dauernden) Arbeitsverhältnisses beurteilen und ist der Beginn der Verfallsfrist daher mit diesem Datum anzusetzen.

Damit waren aber die noch verfahrensgegenständlichen Ansprüche zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung mit Schreiben vom 1.2.2016 noch nicht verfallen. Richtig hat das Erstgericht ausgeführt, dass die Regelung im KollV, dass die betrieblichen Arbeitszeitaufzeichnungen als Geltendmachung gelten, eine Erleichterung für den AN darstellt, da er diese Überstunden nicht noch einmal gesondert fordern muss, aber eine andere Form der Geltendmachung nicht ausschließt. [...]254

ANMERKUNG

Die vorliegende E erging zwar zum IT-KollV, enthält aber Aussagen von allgemeiner Bedeutung zum Verfall des Überstundenentgelts bei Pauschalvereinbarungen (Überstundenpauschale bzw All-inclusive-Vereinbarung). Sie gibt aber auch Anlass, sich mit der Frage der Auswirkung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG) auf die Zulässigkeit von Verfallsklauseln auseinanderzusetzen.

1.
Verfall und LSD-BG

§ 29 Abs 1 LSD-BG sieht die Bestrafung des AG mit einer Geldstrafe vor, wenn dieser den AN nicht zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder KollV zustehende Entgelt leistet. In der Literatur wird die Frage, ob unter diesen Entgeltbegriff auch ein bereits verfallenes Entgelt fällt, unterschiedlich beantwortet. Der Rezensent ist für eine Einbeziehung des verfallenen Entgelts in diesen Entgeltbegriff eingetreten (Eypeltauer, Verfall: Strafbarkeit wegen Lohn- und Sozialdumpings?ecolex 2016, 902 f mit Zitierung der Vertreter der gegenteiligen Ansicht; wie dieser Felten/Pfeil, Strafbare Unterentlohnung nach dem LSD-BG und Verfall von Entgeltansprüchen, DRdA 2017, 79 ff). Ein Erk des VwGH steht, soweit zu sehen ist, noch aus. Von einem Landesverwaltungsgericht wurde bereits dieselbe Ansicht vertreten (LVwG Vorarlberg 1-439/2017-R7). Ausgehend vom Ziel des Gesetzgebers, mit dem LSD-BG eine Unterentlohnung der AN zu bestrafen und damit – sowohl zum Schutz der AN als auch eines fairen Wettbewerbs – eine unterkollektivvertragliche Entlohnung zu verhindern, kann an der Einbeziehung verfallener Entgelte in den Entgeltbegriff des LSD-BG kein Zweifel bestehen. Der Verfall vermag nichts daran zu ändern, dass der AN unterkollektivvertraglich entlohnt worden ist.

2.
LSD-BG und Zulässigkeit von Verfallsklauseln

Bejaht man die Strafbarkeit von AG wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung ungeachtet eines bereits eingetretenen Verfalls der Entgeltansprüche, stellt sich zwangsläufig die weitere Frage, inwieweit dieser Umstand Auswirkungen auf die Zulässigkeit von Verfallsklauseln für unabdingbare AN-Ansprüche hat. Immerhin kommt es trotz Eintritts des Verfalls bei Nichtzahlung der Entgeltansprüche durch den AG zu dessen Strafbarkeit. Die Verfallsklauseln führen damit zu jenem Rechtszustand, den der Gesetzgeber mit der Strafbarkeit nach dem LSD-BG gerade verhindern möchte. Demgemäß haben zuletzt Felten/Pfeil, DRdA 2017, 79 ff (88 f) die Zulässigkeit von Verfallsklauseln neuerlich in Frage gestellt (siehe auch bereits Felten, Maßnahmen zur Einhaltung der Mindestlohnbedingungen nach dem neuen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, wbl 2011, 405 ff [413]). Zumindest müsse in einer Verallgemeinerung der Wertung des § 26 Abs 9 AZG die Hemmung des Laufs von Verfallsfristen vor Ablauf der Verfolgungsverjährung gem § 7i Abs 7 AVRAG angenommen werden.

Dem Wunsch von Felten/Pfeil, die Zulässigkeit von Verfallsklauseln möge (auch) von der Judikatur noch einmal gründlich überdacht werden, ist der OGH freilich nicht gefolgt. Er hat vielmehr dazu mit keinem Wort Stellung genommen. Grund dafür könnte freilich gewesen sein, dass in der Revision diese Frage nicht aufgeworfen worden ist. Der OGH hat allerdings auch in einer kurz danach ergangenen E, mit welcher er eine außerordentliche Revision zurückgewiesen hat, die in dieser offenbar aufgeworfenen Frage eher lapidar verneint (E vom 28.11.2017, 9 ObA 136/17s). AG, welche die Pflicht zur Zahlung des nach Gesetz, Verordnung oder KollV zustehenden Entgelts, welches nach dem LSD-BG sichergestellt werden soll, verletzen, würden eine Verwaltungsübertretung begehen. Daraus lasse sich aber kein Rückschluss auf die (weitere) Wirksamkeit kollektivvertraglicher Verfallsfristen ziehen.

Vielleicht ist der OGH zu einer wirklichen Auseinandersetzung bei nächster Gelegenheit bereit. Die E des OGH vom 26.2.2014, 9 ObA 1/14h, in der er erstmals ausführlich die seiner Ansicht nach gegebene Zulässigkeit von Verfallsfristen für zwingende AN-Ansprüche begründet hat, ist zwar in der Lehre überwiegend auf Kritik gestoßen (siehe Eypeltauer, OGH: Erstmals ausführliche Begründung zur Zulässigkeit von Verfallsfristen für zwingende Arbeitnehmeransprüche, ecolex 2014, 728 ff; Felten/Pfeil, DRdA 2017, 79 ff [81 ff]; Grillberger, DRdA 2015, 36 [EAnm]). Es ist aber zu befürchten, dass der OGH die Diskussion insoweit für abgeschlossen erachtet. Dafür spricht, dass er in Folgeentscheidungen nur mehr auf diese E verwiesen hat. Das LSD-BG wäre jedoch für den OGH eine Möglichkeit, die Zulässigkeit von Verfallsklauseln für zwingende Ansprüche entgegen seiner bisherigen Judikatur zu verneinen, ohne seine bisherige Argumentation verwerfen zu müssen. Die Strafbarkeit des AG steht auch dem vom OGH immer wieder betonten Zweck einer möglichst raschen Bereinigung noch offener Ansprüche (zuletzt E vom 28.11.2017, 9 ObA 136/17s) entgegen. Dieser Zweck widerspricht für die Dauer der Strafbarkeit den Wertungen der Arbeitsrechtsordnung. Allerdings sind gem § 29 Abs 1 LSD-BG Überzahlungen bei zwingenden Entgeltbestandteilen auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnfortzahlungszeitraum anzurechnen.

3.
Kein Beginn der Verfallsfrist vor Entstehen des Anspruchs

Der OGH betont zu Recht, dass die Frist für den Verfall von Überstundenentgelt nicht vor dem Zeitpunkt zu laufen beginnen kann, zu dem ein Anspruch erstmals geltend gemacht werden kann. Bei einer Pauschalvereinbarung von Überstundenentgelt in Form einer Überstundenpauschale oder All-inclusive-Vereinbarung steht erst mit dem Ende255des Durchrechnungszeitraumes fest, ob überhaupt ein Anspruch auf Überstundenentgelt besteht. Demgemäß kann die Verfallsfrist nicht vor dem Ende dieses Durchrechnungszeitraumes zu laufen beginnen. Das gegenteilige, vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis, nämlich Erfordernis der Geltendmachung innerhalb der Verfallsfrist ab dem Tag der Überstundenleistung, verwarf der OGH mit Hinweis auf den Wortlaut des KollV und den Zweck einer leichteren Beweisbarkeit für den AG.

Das Berufungsgericht hatte durchaus findig die Verfallsbestimmung des IT-KollV dahingehend interpretiert, dass der AN innerhalb der Verfallsfrist die Überstundenleistung bekanntgeben muss und dann nach Ende des Beobachtungszeitraums, also des Durchrechnungszeitraums, innerhalb der (neuer lichen) Verfallsfrist den Anspruch auf Entlohnung der Überstunden (zusätzlich) geltend machen muss. Da eine Bekanntgabe der Überstundenleistungen nicht erfolgt war – offenbar wurden weder vom AG noch vom AN Arbeitszeitaufzeichnungen geführt, jedenfalls fehlt es an Feststellungen, denen sich dies entnehmen ließe –, sah das Berufungsgericht den Anspruch des AN auf Überstundenentlohnung als verfallen an. Nach der Kollektivvertragsbestimmung gelten die betrieblichen Arbeitszeitaufzeichnungen als Geltendmachung von Überstunden, sodass bei Vorliegen solcher Aufzeichnungen eine Geltendmachung erfolgt und ein Verfall ausgeschlossen gewesen wäre.

Der OGH konnte für seine gegenteilige Ansicht tatsächlich den Wortlaut des KollV ins Treffen führen. Danach hat der AN innerhalb der Verfallsfrist nicht die Überstundenleistung, sondern die Überstundenentlohnung geltend zu machen. Eine solche Geltendmachung war aber bei der getroffenen All-inclusive-Vereinbarung mit einem nicht vereinbarten und daher entsprechend der Judikatur geltenden Durchrechnungszeitraum von einem Jahr gar nicht möglich.

Dieser klare Wortlaut steht freilich iSd Ausführungen des Berufungsgerichts durchaus im Widerspruch zum Zweck einer Verfallsklausel, Beweisprobleme für den AG hintanzuhalten. Insoweit kann dem OGH in seiner Ablehnung der Argumentation des Berufungsgerichts nicht gefolgt werden. Bei Überstunden geht es darum, ob diese tatsächlich geleistet wurden und notwendig waren. Je mehr Zeit seit der (behaupteten) Überstundenleistung verstreicht, umso größer werden die Beweisschwierigkeiten für den AG. Dies umso mehr, je später er von dieser (angeblichen) Leistung erfährt. Der AG kann dann Beweise erst später, vielleicht zu spät, sichern.

Selbst wenn man dieses Beweisproblemargument gegen den Wortlaut des KollV durchschlagen ließe, wäre freilich die E des OGH im Ergebnis richtig gewesen. Überraschenderweise sind weder dieser noch das Berufungsgericht auf die Hemmung von Verfallsfristen gem § 26 Abs 9 Z 2 AZG eingegangen (!). Danach werden Verfallsfristen gehemmt, „wenn wegen des Fehlens von Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden die Feststellung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit unzumutbar ist“. Da nach dem IT-KollV – wie oben bereits angeführt – die betrieblichen Arbeitszeitaufzeichnungen als Geltendmachung von Überstunden gelten, weshalb im gegenständlichen Fall Arbeitszeitaufzeichnungen gefehlt haben müssen, kann es wegen Hemmung der kollektivvertraglichen Verfallsfrist keinesfalls zu einem Verfall des Überstundenentgelts gekommen sein.

4.
Erforderlichkeit der Berufung auf die Hemmung der Verfallsfrist?

Offenbar hatte sich der Rechtsvertreter des AN weder in der Berufung noch in der Revision auf die Hemmung der Verfallsfrist nach § 26 Abs 9 Z 2 AZG berufen. Anders lässt sich das Nichteingehen dieser beiden Instanzen auf diese für den Verfahrensausgang (mit) entscheidende Bestimmung nicht erklären. Damit stellt sich aber die weitere Frage, ob es einer solchen Berufung überhaupt bedarf, damit vom Gericht diese Hemmung der Verfallsfrist zu berücksichtigen ist.

Nach stRsp des OGH muss sich der AG im Verfahren auf den Verfall berufen, damit auf einen solchen vom Gericht einzugehen ist (siehe nur Vollmaier in

Fenyves/Kerschner/Vonkilch
, ABGB3 – Klang-Kommentar § 1501 Rz 2 mit Judikatur-und Literaturnachweisen). § 1501 ABGB, der das Erfordernis einer Verjährungseinrede für die Berücksichtigung der Verjährung vorsieht, wird insoweit analog angewendet. Es sei hier nur erwähnt, dass sich das Abgehen von der amtswegigen Wahrnehmung des Verfalls nicht recht mit der These des OGH verträgt, dass Verfallsklauseln der Entlastung der Gerichte dienen. Soll es tatsächlich für diese Entlastung darauf ankommen, ob der AG den Verfallseinwand erhebt oder nicht? Dies als Argument gegen diese, äußerst bedenkliche, „Entlastungstheorie“.

Die Notwendigkeit des Verfallseinwandes durch den AG bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch die Hemmung der Verfallsfrist gem § 26 Abs 9 AZG, diesmal vom AN, eingewendet werden muss. Dass die durch die Erhebung des Verfallseinwandes nicht eintretende Entlastung der Gerichte durch die Nichterhebung des Gegeneinwands der Hemmung der Verfallsfrist wieder erreicht werden soll, kann wohl nicht ernsthaft behauptet werden. Vielmehr könnte folgender Gedanke naheliegen: Wird vom AG ein Verfallseinwand erhoben, dann hat von Amts wegen eine umfassende Prüfung des Verfalls durch das Gericht zu erfolgen. Ergibt sich aus dem Verfahren, dass keine Arbeitszeitaufzeichnungen geführt worden sind, dann ist der rechtliche Schluss auf die Hemmung der Verfallsfrist vom Gericht auch dann zu ziehen, wenn sich der AN bzw dessen Vertreter nicht darauf berufen hat. Diese Thematik bedürfte freilich noch näherer Überlegungen.

5.
Ergebnis

Der E des OGH ist im Ergebnis zu folgen. Die E gibt aber Anlass zu näheren und weiterführenden Überlegungen. Auf die grundsätzlichen Fragen, ob256auch nicht bezahltes, verfallenes Entgelt zur Strafbarkeit nach dem LSD-BG führen kann und ob daraus die Unzulässigkeit von Verfallsklauseln für zwingende AN-Ansprüche abzuleiten ist, musste der OGH – offenbar mangels Vorbringens in der Revision – nicht eingehen. Diese Grundsatzfragen harren noch der (fundierten) höchstgerichtlichen Klärung.