10Aliquotierung des Urlaubsanspruchs bei kollektivvertraglicher Sonderregelung
Aliquotierung des Urlaubsanspruchs bei kollektivvertraglicher Sonderregelung
Der KollV für Arbeiter in der chemischen Industrie Österreichs kann nicht dahin verstanden werden, dass auch Teilzeitbeschäftigten im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb ein Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen zustehen soll.
Aus dem UrlG lässt sich keine andere Definition der Teilzeitarbeit ableiten als aus dem AZG.
Die Anzahl der Arbeitstage für Vollzeitbeschäftigte ist fiktiv unter Berücksichtigung der Verhältnisse und Schichteinteilungen des konkreten Betriebs zu ermitteln und mit jenen der Teilzeitbeschäftigten in Beziehung zu setzen.
Auf die Dienstverhältnisse der Mitarbeiter der Bekl ist der KollV für Arbeiter der chemischen Industrie anzuwenden. Bei der Bekl wurde über viele Jahre im 4-Schicht-Betrieb mit 38 Stunden pro Woche gearbeitet. [...] Mit BV vom 9.3.2016 wurde ein neues vollkontinuierliches Arbeitszeitmodell eingeführt. [...] Im vollkontinuierlichen 5-Schicht-Betrieb beträgt nunmehr die wöchentliche Normalarbeitszeit 35,3 Wochenstunden auf Teilzeitbasis (33,6 Wochenstunden Schichtdienst, 1,1 Wochenstunden für zusätzliche 7 Tage Tag-/Schichtdienst pro Jahr und 0,6 Wochenstunden für Umkleidezeiten). Es wird an 365 Tagen 24 Stunden [...] à 8 Stunden aufgeteilt. Die Mitarbeiter arbeiten [...] an 6 Tagen [...] und haben danach 4 Tage frei. [...] Zusätzlich [...] ist eine Arbeitsleistung von 7 Arbeitstagen pro Kalenderjahr zu je 8 Stunden für Training, Schulung, Umrüsttage etc vereinbart. Damit errechnet sich eine wöchentliche Arbeitszeit von 4,3 Tagen (34,7:8 = 4,337) [...], pro Jahr 21x3 Tage, 10x4 Tage, 10x5 Tage und 10x6 Tage [...].
Anlässlich der Umstellung [...] wurde ein (gesetzlicher/ kollektivvertraglicher) Urlaubsanspruch von jährlich 24 Schichttagen (Arbeitstage) vereinbart und aus früheren Betriebsvereinbarungen die vereinbarten Urlaubstage von einem Arbeitstag als Erleichterung des vollkontinuierlichen Schichtbetriebs und 3 Arbeitstagen als Ersatz für Erholungsaufenthalt übernommen. [...] Nach 25 Dienstjahren sollte sich der „Grundurlaubsanspruch“ auf 24 + 6 Schichten erhöhen.
Der kl BR begehrt die Feststellung eines Grundurlaubsanspruchs von 26 bzw 32 Arbeitstagen entsprechend [...] Pkt N66 des KollV. [...] Die Bekl bestritt und brachte vor, [...] [b]ei 35,3 Wochenstunden ergäben sich 4,41 Arbeitstage pro Woche (35,3:8). Damit handle es sich bei den ArbeiterInnen der Bekl um Teilzeitbeschäftigte. Der kollektivvertragliche Anspruch auf [...] 5,2 (26:5) bzw 6,4 Wochen nach 25 Dienstjahren (32:5) bei Vollzeitbeschäftigung sei mit den durchschnittlichen Arbeitstagen von 4,41 zu multiplizieren. Das ergebe einen Urlaubsanspruch von 22,93 bzw aufgerundet 23 Arbeitstagen. Der Grundurlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen sei daher weit höher als der tatsächliche [...]. Berücksichtige man auch noch die Zusatzurlaube von einem [...] sowie von 3 Arbeitstagen [...] sei die innerbetriebliche Regelung selbst ohne Teilzeit-Aliquotierung günstiger als der KollV. Ohne Aliquotierung würden [...] überproportional begünstigt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab [...]. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl gegen dieses Urteil teilweise Folge [...]. Im konkreten Fall eines kollektivvertraglichen Urlaubsanspruchs von 26 Arbeitstagen für 38 Stunden wöchentlicher Normalarbeitszeit bedeute das einen aliquoten Urlaubsanspruch von 24,15 Tagen. [...]
Die Revisionen sind aus den im Berufungsurteil genannten Gründen zulässig, die Revision der Bekl ist teilweise, die des Kl ist nicht berechtigt. [...]
1. [...] 2. Der KollV, abgeschlossen zwischen dem FCIÖ und dem ÖGB, Gewerkschaft der Chemiearbeiter (im Folgenden: KollV), enthält ua nachfolgende Bestimmungen:
„II. Normalarbeitszeit:N4 Die wöchentliche Normalarbeitszeit in nichtkontinuierlichen und kontinuierlichen Betrieben beträgt 38 Stunden ausschließlich der Pausen. (...)b) Arbeitszeit bei zwei- oder mehrschichtiger ArbeitsweiseN14 Bei mehrschichtiger oder kontinuierlicher Arbeitsweise ist aufgrund einer BV ein Schichtplan zu erstellen. (...)V. Urlaub; UrlaubszuschussN64 Hinsichtlich des Urlaubsausmaßes und Urlaubsentgeltes gelten vorbehaltlich der Regelung des Punktes 66 die Bestimmungen des UrlG 1976 in der jeweils geltenden Fassung. (...)N66 Die vertragsschließenden Organisationen sind sich darüber einig, dass die Anpassung der Bestimmungen des UrlG an die atypischen Arbeitsverhältnisse der vollkontinuierlichen Betriebsweise wie folgt vorzunehmen ist: a) Als Urlaubstage gelten in vollkontinuierlichen Betriebsabteilungen die Arbeitstage; Arbeitstage sind jene Kalendertage – ausgenommen gesetzliche Feiertage –, an denen laut Schichtplan zu arbeiten ist; demgemäß sind Sonntage, an welchen laut Schichtplan gearbeitet wird, Arbeitstage und gelten damit als Urlaubstage. Andererseits gelten schichtfreie Werktage nicht als Arbeitstage und zählen somit nicht als Urlaubstage. b) Der Urlaubsanspruch beträgt 26 bzw. 32 Arbeitstage, entsprechend den Anwartschaftszeiten nach den Bestimmungen des UrlG.“
3. [...] Zur Festlegung einer verkürzten Normalarbeitszeit ist daher der KollV befugt (§ 2 Abs 2 Z 2 ArbVG), nicht aber die BV, außer bei konkreter Ermächtigung im KollV (vgl Schrank, Arbeitszeitkommentar5 [2018] § 19d AZG Rz 2). Betriebsvereinbarungen, die eine kürzere Normalarbeitszeit als Gesetz oder KollV vorsehen, wirken ohne besondere kollektivvertragliche Ermächtigung nicht normativ. Solche Inhalte von Betriebsvereinbarungen gelten daher in der Regel als Einzelvertragsergänzung. Grundsätzlich sind auch dafür die Teilzeitregelungen 225 anzuwenden (Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz, § 19d Rz 3). [...] Die Parteien der BV gingen davon aus, dass es sich bei der Vereinbarung gerade nicht um eine Herabsetzung der Normalarbeitszeit handeln soll. Gegen die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung wendet sich letztlich auch der Kl nicht.
4. [...] Richtig haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass sich aus dem UrlG keine andere Definition der Teilzeitarbeit als aus dem AZG ableiten lässt.
5. [...] Das UrlG bemisst das Urlaubsausmaß auf kalendarische Weise, bei der das Ausmaß des Urlaubs unabhängig vom jeweiligen Ausmaß der Arbeitszeit festgelegt ist. Die Herabsetzung der Arbeitszeit berechtigt den AG nicht zu einer Reduktion des Urlaubsanspruchs (9 ObA 20/14b). [...] Wenn ein DN nicht an allen Werktagen der Woche arbeitet, erfolgt die gesetzliche Berechnung des Urlaubsanspruchs in stRsp in der Form, dass [...] eine Umrechnung auf Arbeitstage vorzunehmen ist [...]. Das nach dem UrlG für Vollzeitbeschäftigte in Wochen geltende Urlaubsausmaß ist auch in diesem Fall mit der Zahl der Arbeitstage des Teilzeitbeschäftigten zu multiplizieren. Die Anzahl der an einem Arbeitstag zu leistenden Arbeitsstunden spielt bei dieser Berechnung keine Rolle (exemplarisch 8 ObA 35/12y mwN). [...] Arbeitet daher bspw ein Teilzeitbeschäftigter an 5 Tagen in 2 Wochen, ist von einem Urlaubsausmaß von 2,5 Tagen/Woche und von 12,5 Arbeitstagen/Urlaubsjahr auszugehen (9 Ob 390/97m).
6. Mit der Urlaubsregelung [...] war der OGH bereits in [...] 9 ObA 78/17m befasst. In Übereinstimmung [...] ist davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien [...] grundsätzlich die Regelungen des UrlG gelten lassen, diese andererseits [...] einer Betriebsweise von 24 Stunden/7 Tage die Woche anpassen wollten. [...] Arbeitstage sind [...] nur jene, an denen laut Schichtplan zu arbeiten ist. [...] Daraus folgte im damals zu beurteilenden Fall, bei dem die Vollzeitbeschäftigten im Wochendurchschnitt an vier Arbeitstagen tätig waren, ein jährlicher Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen (= 6 1/2 Wochen) bzw nach 25 Arbeitsjahren von 32 Arbeitstagen (= 8 Wochen). Eine Aliquotierung der Urlaubsansprüche entsprechend den Arbeitstagen pro Woche [...] wurde danach abgelehnt. Ausdrücklich nicht Stellung genommen wurde in dieser Entscheidung zu Urlaubsansprüchen von Teilzeitbeschäftigten.
7. [...] Bei der Auslegung von Kollektivverträgen ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechend praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten (RS0010088 [T10]). Davon ausgehend kann die Regelung im KollV nicht dahin verstanden werden, dass damit auch Teilzeitbeschäftigten im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb ein Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen zustehen soll. Dies hätte nämlich zur Folge, dass etwa einem Teilzeitbeschäftigten, der gegenüber Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer 50 %-igen Auslastung nur die Hälfte der Schichttage pro Woche arbeitet, in Wochen der doppelte Urlaubsanspruch zukommt. Bei nur einem Schichttag pro Woche in Teilzeit würde ein Urlaubsanspruch von 26 Wochen entstehen. [...] Vielmehr muss die Regelung des KollV dahin ausgelegt werden, dass [...] sich aber auch der nach einzelnen Arbeitstagen zu bemessende Urlaubsanspruch aliquot nach dem Umfang des Beschäftigungsausmaßes [...] nach Arbeitstagen in Gegenüberstellung zu den Arbeitstagen eines Vollzeitbeschäftigten errechnet.
8. Der vorliegende Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, dass aufgrund des Schichtbetriebs die Anzahl der Arbeitstage in den einzelnen Wochen variiert und im Schichtbetrieb keine Vollzeitbeschäftigten tätig sind. Zusätzlich stellt sich die rechtliche Frage, ob, wie von der Bekl in ihrer Revision gefordert, das Teilzeitarbeitsausmaß einem [...] Gesamturlaubsanspruch von 5,2 Wochen gegenüberzustellen ist oder ob die Arbeitstage bei Vollzeitbeschäftigung im Hinblick auf die individuellen Verhältnisse im konkreten Betrieb zu berechnen sind.
Bei der Bekl wird in einem Zehn-Wochen-Zyklus gearbeitet, bei dem in vier Wochen an drei Tagen und in je zwei Wochen an vier, fünf bzw sechs Arbeitstagen Schicht gearbeitet wird. [...] Geht man daher von diesem üblichen Schichtturnus als Beurteilungszeitraum aus, ergeben sich im Schnitt 4,2 Schichttage pro Woche. Zusätzlich wird im Jahr an sieben weiteren „Schichttagen“ gearbeitet. Da es bei einer Durchschnittsbetrachtung aber darauf ankommt, die Schichttage pro Woche anhand der üblicherweise in regelmäßigen Zyklen anfallenden Arbeitstagen zu eruieren, kommt es auf solche einzelnen, von der Norm abweichenden zusätzlichen Arbeitstage nicht an. [...] Auch die Umkleidezeit spielt hier keine Rolle [...].
9. Der Kl macht in seiner Revision geltend, dass unabhängig davon, dass [...] bei einem Durchschnittswert über vier [...] aufgerundet von fünf Arbeitstagen pro Woche auszugehen sei. Damit liege keine Teilzeitbeschäftigung iSd UrlG vor [...]. Dabei vermengt der Kl die Frage, ob von einer Teilzeitbeschäftigung (iSd § 19d AZG) auszugehen ist, mit der inwieweit aufgrund einer solchen Teilzeitbeschäftigung eine Aliquotierung im Rahmen der Umrechnung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs auf Arbeitstage zu erfolgen hat. Wie bereits dargelegt, ist im vorliegenden Fall Teilzeitarbeit vereinbart. Ob das zu einer Aliquotierung der Urlaubstage führt, hängt, wie ebenfalls schon dargelegt, davon ab, wie viel Arbeitstage tatsächlich gearbeitet wird [...]. Dabei ist bei einer unregelmäßigen Anzahl von Arbeitstagen notwendigerweise ein Durchschnittswert zu bilden [...]. Die vom Kl [...] herangezogene E 9 ObA 221/02v ist nicht einschlägig [...]. Entgegen der Ansicht des Kl soll die Durchschnittsberechnung gerade ermöglichen, Unschärfen, die sich durch die unterschiedliche Anzahl der Arbeitstage in den einzelnen Wochen ergibt, auszugleichen, ein Effekt, der mit einer großzügigen Handhabung von Rundungsregeln konterkariert würde.
10. Die Bekl argumentiert in ihrer Revision, dass der im KollV geregelte Urlaubsanspruch so wie das UrlG 226 von fünf Arbeitstagen pro Urlaubswoche und somit einen Gesamturlaubsanspruch von 5,2 Wochen ausgehe. Dementsprechend wurde schon in der E 9 ObA 78/17m darauf verwiesen, dass, sollte es in der Absicht der Kollektivvertragsparteien gelegen gewesen sein, auch für den vollkontinuierlichen Schichtbetrieb das Urlaubsausmaß eines AN ungeachtet der konkreten Schichteinteilung so festzulegen, dass jeweils jenes Ausmaß an Arbeitszeit ausfällt, das einem durchschnittlichen Arbeitszeitverlauf durch 5,2 Arbeitswochen hindurch entspricht, dies in der Regelung des Pktes N66 zum Ausdruck gebracht hätte werden müssen. [...] Da dies nicht geschehen ist, sollte auf die Organisation des jeweiligen Betriebs abgestellt werden. [...]
Dass bei der Bekl im Schichtbetrieb generell nur Teilzeit gearbeitet wird, bedeutet nicht, dass von diesen Grundsätzen abgegangen werden muss. Vielmehr ist die Anzahl der Schichten für einen 38-Stunden-Beschäftigten zwar fiktiv, aber unter Berücksichtigung der Verhältnisse und Schichteinteilungen des konkreten Betriebs zu ermitteln.
Das führt dazu, dass auch von der Normalarbeitszeit von 38 Stunden im konkreten Fall die Umziehzeit von 0,6 Stunden abzuziehen ist [...]. Weiters [...] 7 Schichttage (oder 1,1 Stunden pro Woche) [...], die aus der Durchschnittsberechnung auszuklammern sind. Ausgehend von 36,3 Stunden/Woche ergeben sich unter Zugrundelegung der [...] Acht-Stunden-Schichten pro Tag 4,5375 Schichttage pro Woche. Auf Basis des kollektivvertraglichen Urlaubsanspruchs von 26 Arbeitstagen beträgt der Urlaubsanspruch eines (fiktiven) Vollzeitbeschäftigten daher 5,73 Wochen. Bei einem Urlaubsanspruch von 32 Arbeitstagen beträgt er 7,05 Wochen. Davon ausgehend errechnen sich für die Teilzeitbeschäftigten mit [...] 33,6 Stunden pro Woche 24,066 (4,2 x 5,73) bzw 29,61 (4,2 x 7,05) Schicht-(Arbeits-)tage Urlaubsanspruch.
11. Der Vorwurf der Bekl [...], dass entgegen der Rsp von Stunden und nicht von Schichttagen ausgegangen wird, ist dabei nicht berechtigt. Zwar ist es richtig, dass diese Relation auch den Stunden bei Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung entspricht (jeweils abzüglich 0,6 Stunden Umkleidezeit und 1,1 Stunden für die zusätzlichen Schichttage), das ergibt sich aber daraus, dass bei der Bekl regelmäßig in 8-Stunden-Schichten gearbeitet wird, weshalb [...] die sich daraus ergebenden Urlaubstage gleich bleiben. [...]
12. [...] Zur allgemeinen Frage einer Auf- oder Abrundung muss allerdings im vorliegenden Fall nicht abschließend Stellung genommen werden. [...]
13. Für den Urlaubsanspruch nach 25 Arbeitsjahren errechnet sich, wie dargelegt, kein Anspruch über 30 Arbeitstage, weshalb diesbezüglich das Klagebegehren gerichtet auf 32 Arbeitstage nicht berechtigt ist. [...]
Im Kollektivvertrag für Arbeiter in Betrieben der chemischen Industrie Österreichs (in der Folge KollV) werden die Besonderheiten der Schichtarbeit in verschiedener Hinsicht berücksichtigt. Die Parteien unterscheiden in zahlreichen Regelungen zwischen zwei- und mehrschichtiger Arbeitsweise, aber auch zwischen Arbeit in (voll-/teil-)kontinuierlichen oder nichtkontinuierlichen Schichtbetrieben. Vollkontinuierliche Schichtarbeit liegt vor, wenn in einem Betrieb ganzjährig nicht nur 24 Stunden täglich, sondern auch an den Wochenenden gearbeitet wird. Für „atypische Arbeitsverhältnisse der vollkontinuierlichen Betriebsweise“ sieht der KollV vom UrlG abweichende Regelungen zum Urlaub vor. Demnach gelten als Urlaubstage die Arbeitstage, wobei als letztere alle Kalendertage anzusehen sind, an denen laut Schichtplan gearbeitet wird. Das können folglich auch Sonntage sein, nicht aber Werktage, an denen laut Schichtplan nicht gearbeitet wird (vgl N 66 lit a KollV). Der Urlaubsanspruch beträgt laut lit b leg cit grundsätzlich 26 Arbeitstage, nach 25 Jahren 32.
Mit dieser Regelung musste sich der OGH in der aktuellen E bereits zum zweiten Mal beschäftigen. In einer Vorgängerentscheidung stellte sich die grundlegende Frage, inwiefern die Anzahl der tatsächlich zu leistenden Arbeitstage pro Woche Auswirkungen auf den laut KollV zustehenden Urlaubsanspruch hat. Wegen des eindeutigen Wortlauts der kollektivvertraglichen Urlaubsbestimmung sei jedenfalls bei Vollzeit eine Aliquotierung auch bei Schichtarbeit mit weniger als fünf Arbeitstagen pro Woche nicht vorzunehmen. Einer Aussage zur Auslegung in Bezug auf Teilzeitarbeitskräfte enthielt sich der OGH damals ausdrücklich. Eine solche Konstellation bot die nun entschiedene Rechtssache.
Das UrlG sieht in § 2 UrlG einen Urlaubsanspruch in Tagen, nämlich 30 bzw 36 Werktage, vor. Der dem Urlaubsrecht immanente Erholungszweck und auch die Systematik des UrlG erfordern aber nach hL eine wochenweise Betrachtung. AN haben daher einen kalendarischen Urlaubsanspruch („vom ersten Kalendertag nach Arbeitsende bis zum letzten Kalendertag vor Arbeitsantritt“; vgl OGH8 ObA 35/12yDRdA 2013/34 [Gerhartl] = EvBl 2013/50 [Kohlbacher] = RdW 2013/90 S 93 [Tuma] = ZAS 2014/28 [Drs]) von fünf bzw sechs Wochen (vgl Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2 UrlG [Stand 1.1.2018, rdb.at] mwN; zum kalendarischen Urlaubsbegriff Auer-Mayer, Ausgewählte Rechtsprobleme rund um Urlaub und Feiertage, ZAS 2020, 126 [126 f] mwN). Die Berechnung orientiert sich ausdrücklich nicht an jenem Zeitraum, an dem die AN tatsächlich von der Arbeitspflicht freigestellt sind (vgl OGH9 ObA 20/14b DRdA 2015/24 [Kozak] = ZAS 2015/13 [Gerhartl] = ARD 6421/6/2014). Um einen tageweisen Verbrauch zu ermöglichen, lässt die Rsp aber eine Umrechnung in Arbeitstage zu (OGH9 ObA 172/90
[Klein]). Auch Kollektivverträge dürfen nur zu Gunsten der AN vom kalen 227 darischen Urlaubssystem des UrlG abgehen (vgl Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 12 UrlG Rz 2 letzter Satz [Stand 1.1.2018] mwN).Laut OGH hat die Umrechnung so zu erfolgen, dass die Anzahl der Urlaubstage in einer Durchschnittsbetrachtung der Anzahl an Arbeitstagen innerhalb eines Zeitraumes von fünf bzw sechs Wochen entspricht (Aliquotierung). Dies gelte für jedes von der Sechstagenorm abweichende Ausmaß an Arbeitstagen. Die Anzahl der an einem Arbeitstag zu leistenden Arbeitsstunden – folglich auch das Vorliegen von Teilzeitarbeit – spielt keine Rolle (OGH 24.10.2012, 8 ObA 35/12y). Eine entsprechende Aliquotierung nach Arbeitstagen ist auch bei Teilzeitbeschäftigten nach Rsp des EuGH unionsrechtskonform (vgl EuGH C-415/12, Brandes, ECLI:EU:C:2013:398; vgl auch OGH9 ObA 20/14b SZ 2014/67).
Die bisherige Rsp zur Schichtarbeit unterscheidet bei der Ermittlung der Arbeitstage fortlaufende, von einer wochenweisen Betrachtung unabhängige Schichtsysteme von solchen, die im Rhythmus der Kalenderwochen wechseln: Bei atypischer Arbeitszeitverteilung in fortlaufenden Schichtsystemen sei laut OGH eine Durchschnittsbetrachtung über einen Fünfwochenzeitraum vorzunehmen, der mit einer vollen Arbeitswoche beginnen müsse (OGH9 ObA 221/02v ARD 5405/6/2003 = wbl 2003/227, 389 = infas 2003 A 62 = DRdA 2003, 458 = ecolex 2003/227, 546 = ASoK 2003, 383 = ZAS-Judikatur 2003/179, 268 = DRdA 2004/19 [Mosler]; zust Schrank, Leitentscheidungen der Höchstgerichte zum Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht [9. Lfg 2003] Arbeitsbezogene Umrechnung? – Stundenweiser Urlaub? Schichtturnus mit Freischichtwoche – OGH 26.2.2003, 9 ObA 221/02v). Geht man davon aus, dass die AN der Bekl am ersten Montag auch ihren ersten Tag einer 6-Tages-Schicht haben, so arbeiten sie in den fünf Wochen ab diesem Tag insgesamt an 23 Tagen (A = Arbeitstag, F = Freizeit; A-A-A-A-A-A-F, F-F-F-A-A-A-A, A-A-F-F-F-F-A, A-A-A-A-A-F-F, F-F-A-A-A-A-A). Sowohl die Grundregel mit 26 Tagen als auch die Aliquotierung mit mindestens 24 Tagen ist also jedenfalls günstiger als § 2 UrlG.
Zu stetigem Schichtwechsel äußerte sich der OGH in der zu 9 ObA 390/97m vom 28.1.1998 ergangenen E, die auch in der aktuellen Begründung herangezogen wurde: Ein Portier, der im 2-Wochen- Takt je eine Woche (60 Stunden) an 5 Tagen arbeitet und in der zweiten Woche frei hat, arbeite laut OGH 2,5 Tage pro Woche und habe folglich einen Urlaubsanspruch von 12,5 Tagen (zust Mosler, Urlaubsberechnung und Urlaubsverbrauch in Stunden? DRdA 2004, 48). Der Fünfwochenzeitraum war für die Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht maßgeblich. Bei der Aliquotierung wird in solchen Fällen auf das durchschnittliche Ausmaß der Arbeitstage pro Woche und nicht auf die innerhalb von fünf aufeinanderfolgenden Arbeitswochen geleisteten Arbeitstage abgestellt.
Auf das wöchentliche Stundenausmaß oder das Vorliegen von Teilzeit wurde in keiner dieser Entscheidungen Rücksicht genommen.
Legt man letztere E auf den aktuellen Fall um, müssten die durchschnittlichen Arbeitstage im 10-Wochen-Zyklus berechnet werden. Erst in der elften Woche fängt der erste Tag der Schicht wieder an einem Montag an. In einer auf zehn Wochen angelegten Durchschnittsbetrachtung arbeiten die AN durchschnittlich 4,2 Tage. Das entspricht dem Ergebnis der Berechnungen des OGH, auch wenn dieser eine unterschiedliche Herangehensweise wählte. Das fragliche Schichtsystem ist aber gerade ein fortlaufendes, das keinen geregelten Ablauf nach Wochen hat. Es wiederholt sich zwar ab einem gewissen Zeitpunkt, das sprach jedoch auch schon in der OGH-E 9 ObA 221/02v vom 26.2.2003 nicht gegen die dort angewandte Berechnungsart.
Als Argument für die Abweichung könnte der Wortlaut der kollektivvertraglichen Bestimmung N66 dienen, der auf „die atypischen Arbeitsverhältnisse der vollkontinuierlichen Betriebsweise“ abstellt. Gem N64 des KollV gelten vorbehaltlich der Regelung in N66 auch hinsichtlich des Urlaubsausmaßes und Urlaubsentgelts von Arbeitern der chemischen Industrie die Bestimmungen des UrlG. N66 passt sodann Urlaubsanspruch und -ausmaß des UrlG durch eine andere Definition von Urlaubstagen und einen erhöhten Urlaubsanspruch an die atypischen Arbeitsverhältnisse der vollkontinuierlichen Betriebsweise an. 2017 äußerte sich der OGH erstmals zur Auslegung dieser Bestimmung (OGH9 ObA 78/17m ARD 6574/7/2017 = RdW 2017/620 = ZAS-Judikatur 2018/4 = RZ 2018, 58 = Jus-Extra OGH-Z 6316 = Arb 13.435). Den AN der damals Bekl wurde bei einem Schichtplan von vier Schichten pro Woche ein Urlaubsanspruch von 6,5 Wochen (26 dividiert durch 4 Arbeitstage) bzw acht Wochen (32 dividiert durch 4 Arbeitstage) zugesprochen. Die 26 Arbeitstage seien aufgrund der in N66 lit a angeführten Definition von Urlaubstagen nicht – wie beim kalendarischen System im UrlG – mit 5,2 Wochen (ausgehend von einer 5-Tage-Woche: 26 dividiert durch 5) gleichzusetzen, sondern an das jeweilige Schichtsystem anzupassen (zust Schrank, Leitentscheidungen der Höchstgerichte zum Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht [53. Lfg 2018] Arbeitsbezogene Umrechnung: 12-Stunden-Schichtbetrieb – Kollektivvertragliche Ausmaßbesserstellung – Unzulässige Umrechnungskürzung? OGH 27.9.2017, 9 ObA 78/17m). Die nun vom OGH gewählte Vorgehensweise, nicht – wie sonst bei fortlaufenden Schichtsystemen – auf einen wochenmäßig festgelegten Durchrechnungszeitraum abzustellen, ist daher an und für sich eine konsequente Weiterführung dieser Judikaturlinie.
Genau gegenläufig zur Vorgängerentscheidung ist aber die Aliquotierung anhand der so berechneten 4,2 Arbeitstage. Der kl BR brachte unter Verweis auf die oben genannte Rsp zur Aliquotierung im allgemeinen Urlaubsrecht vor, dass die nur geringfügige 228 Herabsetzung der Arbeitszeit von 38 auf 35,3 Stunden zu keinem geringeren Urlaubsanspruch führen könne. Der OGH entgegnete mit Ablehnung: Der kollektivvertragliche Urlaubsanspruch müsse bei Teilzeitbeschäftigten unter Berücksichtigung der konkreten Betriebsweise aliquotiert werden. Schon aus vernünftigen und zweckentsprechenden Überlegungen solle etwa Arbeitskräften mit 50 %-iger Auslastung nicht derselbe Urlaubsanspruch zukommen (vgl ErwGr 7 der aktuellen E).
Diese Erwägungen sind zwar im Grunde berechtigt, aber gleichzeitig zu pauschal: Der OGH wandte eine Aliquotierung in seiner bisherigen Rsp zum UrlG konsequent nur dann an, wenn AN nicht an allen Werktagen der Woche arbeiteten. Arbeiten AN an fünf Tagen je eine Stunde, haben sie 25 Urlaubstage pro Jahr; genauso wie AN, die an fünf Tagen je acht Stunden arbeiten. Dass die Eruierung der Arbeitstage bei atypischer Verteilung der Arbeitszeit hingegen einer Durchrechnung bedarf, wurde oben aufgezeigt. Ebenso, warum ein Abweichen von der sonst bei fortlaufenden Schichtsystemen üblichen Durchschnittsbetrachtung bei N66 des KollV vertretbar ist und folglich auf die Berechnung der Arbeitstage pro Woche im jeweiligen Zyklus zurückgegriffen werden kann. Problematisch ist schlussendlich aber die Aliquotierung, die anhand der Arbeitstage pro Woche bei Teilzeitbeschäftigten, nicht aber bei Vollzeitbeschäftigten vorgenommen wird. N66 lit b des KollV spreche nämlich bei Letzteren überhaupt gegen eine Aliquotierung. Im Ergebnis stünden einer Vollzeitarbeitskraft mit einer Viertagewoche – bei rund 52,1429 Wochen sind das rund 209 Arbeitstage pro Jahr – 26 Urlaubstage zu. Einer Teilzeitarbeitskraft mit rund 226 (4,2*52,1429+7) Arbeitstagen stünden laut aktueller E hingegen bloß 24,066 Urlaubstage zu. Das „Wie“ einer Aliquotierung orientiert sich bei dieser Vorgehensweise zwar an neutralen Kriterien, nämlich den durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitstagen, das „Ob“ knüpft aber unmittelbar an der geringeren Anzahl der Arbeitsstunden pro Woche und daher am Faktum der Teilzeit an.
Die Vorgehensweise des OGH ist im Lichte der Vorgängerentscheidung zur selben kollektivvertraglichen Bestimmung inkonsequent und benachteiligt Teilzeitbeschäftigte unmittelbar. Die Aliquotierung wird nämlich explizit nur bei diesen bejaht und ist daher unionsrechtswidrig. In der Rs Brandes (Rn 7) wurde eine zu N66 fast wortgleiche Regelung in einem deutschen Tarifvertrag zwar als unionsrechtskonform angesehen. Im Gegensatz zum KollV für Arbeiter in Betrieben der chemischen Industrie Österreichs sah die deutsche Regelung aber auch explizit vor, dass eine andere Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche zu einer Erhöhung oder Verminderung des Urlaubsanspruches führte. Genauso wie die Berechnung nach dem UrlG knüpfte das „Ob“ und auch das „Wie“ der Aliquotierung unabhängig von einer Vollzeitbeschäftigung an die Anzahl der Arbeitstage an. Diese Auslegung wäre auch für N66 möglich gewesen, ist sie doch ebenso im UrlG nicht explizit angeordnet (siehe oben Pkt 1.1.). Lit b leg cit könnte dahingehend als bloß für den Verbrauch maßgeblich interpretiert werden. Der Wortlaut lässt dennoch auch die vom OGH judizierte Abkehr von der Aliquotierung zu. Diese müsste aber genauso für Teilzeitbeschäftigte gelten.
Wollte man einer geringeren Auslastung einzelner AN in Weiterführung der Rsp aus 2017 gerecht werden und überbordende Urlaubsansprüche hintanhalten, hätte man auch eine neue, dem KollV entsprechende und für die vollkontinuierliche Schichtarbeit adäquate Art der Aliquotierung wählen können. Wie der OGH selbst festhielt, sind Schichtsysteme vielerlei und oft komplex (vgl etwa OGH 26.2.2003, 9 ObA 221/02v). Bei N66 müsste in diesem Sinne am neutralen Wortlaut „atypische Arbeitsverhältnisse der vollkontinuierlichen Betriebsweise“ angeknüpft und anhand des konkreten Schichtsystems eruiert werden, ob die jeweiligen Arbeitskräfte innerhalb dieses Modells bezogen auf Schichttage voll- oder nur teilausgelastet sind. Eine Aliquotierung könnte nur bei einer Reduktion von Arbeitstagen innerhalb des jeweiligen Schichtsystems im Verhältnis zur Maximalauslastung (hier etwa drei statt sechs Arbeitstage auf vier Tage Freizeit) vorgenommen werden. Das führt zu keinem unverhältnismäßigen Ergebnis: Die aktuell betroffenen AN arbeiten in Maximalauslastung und hätten bei 26 Urlaubstagen nach der Berechnungsmethode für fortlaufende Schichtsysteme genau sechs Wochen Urlaub. In der Vorgängerentscheidung wurden bei einer Viertagewoche 6,5 Wochen Urlaub zugesprochen. Die „Unbill der Schichtarbeit“ (wie in OGH 27.9.2017, 9 ObA 78/17m ins Treffen geführt) trifft auch AN, die – wie hier – an sechs aufeinanderfolgenden Tagen in drei unterschiedlichen Schichten arbeiten müssen und denen erst nach 48 Stunden eine längere Erholungsphase zukommt.
Wollten die Kollektivvertragsparteien pro futuro eine unionrechtskonforme Bestimmung schaffen, wäre eine Aliquotierungsbestimmung angelehnt an den Tarifvertrag in der Rs Brandes ein taugliches Instrument. 229