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Mögliche Ungleichbehandlung durch degressive Pensionsanpassung 2020

PIA ANDREAZHANG

Der Revisionswerber steht nach seiner Versetzung in den Ruhestand seit 1.9.2018 in einem Ruhestandsverhältnis zum Bund und bezieht Ruhebezüge nach dem PG 1965. Seine monatliche Gesamtpension beträgt € 4.188,66.

Mit Schreiben vom 19.2.2021 beantragte der Revisionswerber eine Neubemessung seiner Bezüge und verwies auf das anhängige Vorabentscheidungsverfahren zu Ro 2019/12/0005 (VwGH vom 31.7.2020). Er führte aus, dass 2019 keine Valorisierung stattge325funden habe, weil im ersten Jahr nach Übertritt diese an sich ausgeschlossen ist und im Jahr 2020 hätte er aufgrund seiner vergleichsweisen hohen Bezüge nur eine geringe Erhöhung bekommen. Damit sei er gegenüber der hohen Anpassung bei den geringen Pensionen unsachlich benachteiligt worden.

Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) wies den Antrag auf Neubemessung ab. Sie verwies darauf, dass 2019 nach den gesetzlichen Regelungen des § 41 PG 1965 im ersten Jahr keine Anpassung zu erfolgen habe, da er seit 2018 im Ruhestand ist. Hinsichtlich 2020 verweist die Behörde auf § 728 Abs 1 ASVG, der abweichend von § 108h ASVG eine degressive Staffelung der Pensionsanpassung vorsieht.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom BVwG abgewiesen und die Revision für zulässig erklärt, da es sich um eine Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung handle und es zur Frage des „Wartejahres“ nach § 41 Abs 2 PG keine Rsp des VwGH gebe. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, wonach die gestaffelte Anpassung zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts führe, sei nicht zu folgen. Es seien zwar wesentlich mehr Männer als Frauen betroffen, dies wäre aber keine Diskriminierung, sondern iS eines Ausgleichsgedankens mit sozialer Komponente zu verstehen.

Gegen dieses Erkenntnis erhob er Revision an den VwGH und wies insb nochmals auf die Vergleichbarkeit zum Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens des VwGH zu Ro 2019/12/0005 vom 31.7.2020 hin.

In dieser Sache legte der VwGH dem EuGH die Frage, ob das Gleichbehandlungsgebot zwischen Männern und Frauen einer nach Pensionshöhe gestaffelte Pensionsanpassung entgegensteht, zur Vorabentscheidung vor. Dieser entschied mit Urteil vom 5.5.2022, dass Art 157 AEUV und Art 5 lit c der RL 2006/54 dahingehend auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung mit einer degressiven Pensionsanpassung nicht entgegenstehen, sofern mit ihr in kohärenter und systematischer Weise die Ziele der Gewährleistung einer nachhaltigen Finanzierung der Pensionen und einer Verringerung des Niveauunterschieds zwischen den staatlich finanzierten Pensionen verfolgt werden (EuGH 5.5.2022, C-405/20, BVAEB; vgl DRdA-infas 2022/191, 392 [Zhang]).

Der VwGH befand die gegenständliche Revision in Bezug auf das Jahr 2019 für unzulässig, in Bezug auf das Jahr 2020 für zulässig und im Ergebnis auch für begründet. Da es sich um trennbare Ansprüche handelt, ist die Zulässigkeit getrennt zu prüfen.

Hinsichtlich des Jahres 2020 führte er aus, dass der gegenständliche Fall mit jenen Regelungen vergleichbar ist, die dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde lagen bzw dem Revisionsfall zu Ro 2020/12/0002 (VwGH vom 13.9.2022) in dem sich der VwGH bereits mit dem Erkenntnis des EuGH auseinandergesetzt hat (vgl DRdA-infas 2023/57[Zhang] ). Eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts könnte vorliegen und es ist daher in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob diese gerechtfertigt werden könnte. Das BVwG hat daher im fortgesetzten Verfahren in einer mündlichen Verhandlung Tatsachenfeststellungen zu den vom EuGH angesprochenen Fragen zu treffen. Das betrifft insb die kohärente und systematische Umsetzung der Maßnahme sowie die Verhältnismäßigkeit der Regelung. Erst dann kann die aufgezeigte rechtliche Beurteilung vorgenommen werden. Indem das BVwG dies verkannte und die erforderlichen Feststellungen unterließ, belastete es das Erkenntnis mit sekundären Feststellungsmängeln, sodass das Erkenntnis in diesem trennbaren Teil des bescheidmäßigen Abspruchs wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts vom VwGH aufzuheben war.

Hinsichtlich des Spruchteils betreffend das Jahr 2019 ist die Revision unzulässig, da es bereits Rsp zur in § 41 Abs 2 PG 1965 festgelegten Wartefrist gibt. Die darüberhinausgehend vorgebrachten Gründe für die Zulässigkeit bezogen sich bloß auf die gestaffelte Anpassung im Jahr 2020 und waren daher für die Beurteilung dieses Teils nicht maßgeblich.