52Mitwirkungspflicht des/der ArbeitnehmerIn bei der Suche nach Ersatzarbeitsplätzen
Mitwirkungspflicht des/der ArbeitnehmerIn bei der Suche nach Ersatzarbeitsplätzen
Individuelle Weisungen von AG, die Persönlichkeitsrechte von AN berühren (etwa deren Gesundheitszustand), sind besonders heikel; hier ist bei der Interessenabwägung besondere Vorsicht geboten.
Die Weisung des/der AG an einen begünstigten Behinderten, das im Verfahren vor dem Sozialministeriumservice eingeholte Gutachten sowie sämtliche sonstigen relevanten medizinischen Unterlagen zu übermitteln und das Einverständnis zur Untersuchung durch eine/n von der/dem AG beauftragte/n Sachverständige/n zu erklären, kann weder mit der Treuepflicht des/der AN noch mit dem Umstand, dass er/sie dem/der AG ohnehin von sich aus in gewissem Umfang seinen/ihren Gesundheitszustand offengelegt hat, begründet werden.
Auch das Bestehen der Entgeltfortzahlungspflicht im Krankheitsfall kann ein solches Interesse des/der AG nicht begründen, zumal die auf Aufforderung des/der AG gem § 4 Abs 1 EFZG vorzulegende ärztliche Bestätigung keine Diagnose zu enthalten hat.
Auf die Frage, inwieweit der/die AN verpflichtet ist, an der Suche eines für ihn/sie geeigneten Ersatzarbeitsplatzes mitzuwirken, kommt es dann nicht an, wenn keine Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, warum der/die AN nach dem Ende des Krankenstands nicht in der Lage sein sollte, die bisher ausgeübte Tätigkeit wieder aufzunehmen.
Die Verpflichtung des/der AG, Mobbing zu verhindern und Vorwürfen in diese Richtung nachzugehen, besteht unabhängig davon, welche krankheitswerten Folgen ein solches Verhalten allenfalls bereits bei dem/der AN ausgelöst hat.
[1] Der Kl ist seit 1.2.2018 bei der Bekl beschäftigt. Seit 18.9.2019 befindet er sich in Krankenstand. Mit Schreiben vom 2.10.2019 kündigte die Bekl das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2019. Diese Kündigung wurde vom Kl wegen Motiv- und Sozialwidrigkeit angefochten. Mit Bescheid vom 3.12.2019 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen fest, dass der Kl rückwirkend ab 20.9.2019 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört. Mit Schreiben vom 13.1.2020 legte der Kl der Bekl diesen Bescheid vor und teilte ihr mit, es liege nach dem eingeholten Gutachten eine „ausgeprägte depressive und Burnout-Symptomatik“ aufgrund einer Mobbingsituation vor.
[2] Mit Schreiben vom 21.1.2020 erteilte die Bekl dem Kl die Weisung, das im Verfahren vor dem Sozialministeriumservice eingeholte Gutachten sowie sämtliche sonstigen relevanten medizinischen Unterlagen zu übermitteln und sein Einverständnis zur Untersuchung durch einen von der Bekl beauftragten Sachverständigen nach Vorliegen dieses Gutachtens zu erklären, um gegebenenfalls einen Ersatzarbeitsplatz anbieten zu können. Dies lehnte der Kl ab.
[3] Der Kl begehrt die Feststellung, er sei nicht verpflichtet, den beiden Weisungen der Bekl Folge zu leisten.
[4] Die Bekl bestritt. Der Kl habe kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Sie habe dagegen ein eminentes Interesse an den Informationen, weil sie verpflichtet sei, einen kranken bzw behinderten AN entsprechend seinen Fähigkeiten einzusetzen und ihm gegebenenfalls auch einen anderen Arbeitsplatz anzubieten.
[5] Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage Folge. Es gebe keine Rechtsgrundlage für die von der Bekl erteilten Weisungen.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl gegen dieses Urteil nicht Folge. Im Hinblick auf die Weisung auf Herausgabe des Gutachtens und der „sonstigen relevanten medizinischen Unterlagen“ überwiege, insb unter Berücksichtigung, dass die Bekl aus diesen Informationen keinen (unmittelbaren) Nutzen ziehen könne, jedenfalls das Interesse des Kl an deren Geheimhaltung. Ob ein erkrankter AN bereits während aufrechten Arbeitsverhältnisses zur Mitwirkung an der Suche nach einem Ersatzarbeitsplatz verpflichtet sei, müsse nicht überprüft werden, weil die von der Bekl geforderte Mitwirkung jedenfalls das Maß des Zulässigen überschritten habe. Ein besonderes Interesse der Bekl daran, dass die medizinische Untersuchung durch einen bestimmten, von ihr namhaft gemachten Sachverständigen erfolge, sei nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang komme der Grundsatz der freien Arztwahl zum Tragen, sodass die zweite Weisung jedenfalls rechtswidrig sei.
[7] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Klarstellung für zulässig erachtet, ob bzw in welchem Umfang ein gesundheitlich beeinträchtigter AN zur Mitwirkung an der Suche nach einem für ihn geeigneten Ersatzarbeitsplatz verpflichtet sei.
[...]
[10] Die Revision ist entgegen dem – den OGH nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[...]
[14] 3. Innerhalb des durch den Dienstvertrag vorgegebenen Rahmens wird die Arbeitspflicht durch das Direktions- oder Weisungsrecht des DG konkretisiert. Eine Anordnung ist dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie sich innerhalb der durch den Dienstvertrag und den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten gezogenen Grenzen hält (vgl RS0021472 [T9] ua) sowie die ideellen und materiellen Interessen des AN gewahrt bleiben (RS0029841). Gegebenenfalls hat bei Kollision eine Abwägung der gegenseitigen Interessen zur Prüfung der Rechtfertigung einer Weisung stattzufinden (9 ObA 82/15xmwN).
[15] Aus dem Persönlichkeitsschutz (§§ 16 und 17 ABGB, Art 8 EMRK) wird ein Recht der einzelnen natürlichen Person auf eine Privatsphäre abgeleitet. Der geschützte höchstpersönliche Lebensbereich (die Privatsphäre) umfasst jedenfalls auch 509 den Gesundheitszustand eines Menschen (vgl 6 Ob 103/07a). Individuelle Weisungen des AG, die Persönlichkeitsrechte eines AN berühren, sind besonders heikel; hier ist bei der Interessenabwägung besondere Vorsicht geboten (RS0029841 [T4]).
[16] 4. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass es der Bekl im Verfahren nicht gelungen ist, ein relevantes Interesse an den von ihr vom Kl geforderten Informationen aufzuzeigen, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Beurteilungsspielraums.
[17] 5. Die Revision vermag es nicht, Bedenken an dieser Beurteilung zu wecken. Weder eine besondere Treuepflicht des Kl als leitender Angestellter noch der Umstand, dass er der Bekl ohnehin von sich aus in gewissem Umfang seinen Gesundheitszustand offengelegt hat, können als Begründung für ein Informationsinteresse der Bekl herangezogen werden. Die Verpflichtung des AG, Mobbing zu verhindern und Vorwürfen in diese Richtung nachzugehen, besteht unabhängig davon, welche krankheitswerten Folgen ein solches Verhalten allenfalls bereits beim AN ausgelöst hat.
[18] 6. Auch das Bestehen der Entgeltfortzahlungspflicht im Krankheitsfall kann ein solches Interesse des AG nicht begründen. Das ergibt sich schon daraus, dass der AN nach § 4 Abs 1 EFZG zwar verpflichtet ist, auf Verlangen des AG eine Bestätigung über die voraussichtliche Dauer und die Ursache der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Soweit es um die „Ursache der Arbeitsunfähigkeit“ geht, ist nach der Rsp aber nicht die Angabe einer genauen Diagnose erforderlich. Es genügt die Bekanntgabe, dass eine Erkrankung vorliegt (9 ObA 97/10w).
[19] 7. Die Bekl begründet ihr Interesse weiters damit, dass sie in die Lage versetzt werden müsse, dem Kl einen seinen gesundheitlichen Bedürfnissen entsprechenden Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Allerdings zeigt sie keine Anhaltspunkte für die Annahme auf, warum der Kl nach dem Ende seines Krankenstands nicht in der Lage sein sollte, die von ihm bisher ausgeübte Tätigkeit wieder aufzunehmen und überhaupt einen Ersatzarbeitsplatz zu benötigen. Dass der Kl den Vorwurf erhebt, an seinem bisherigen Arbeitsplatz gemobbt worden zu sein, bedeutet nicht, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit auszuüben. Für die Herstellung eines mobbingfreien Arbeitsumfelds ist die medizinische Diagnose des Gesundheitszustands des Kl nicht erforderlich.
[20] Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, inwieweit der AN verpflichtet ist, an der Suche eines für ihn geeigneten Ersatzarbeitsplatzes mitzuwirken, kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an.
[21] 8. Mangels eines relevanten Interesses der Bekl an einer Offenlegung des Gesundheitszustands des Kl muss auf die Frage der inhaltlichen Zulässigkeit der konkreten Weisungen nicht weiter eingegangen werden.
[...]
Ausgehend vom in der Entscheidungsbegründung zitierten Sachverhalt ist der OGH zu Recht zur Ansicht gelangt, dass eine Mitwirkungspflicht des Kl an der Suche nach einem für ihn geeigneten Ersatzarbeitsplatz im konkreten Fall nicht anzustellen waren. Dennoch sollen hier weiterführende Überlegungen angestellt werden.
Der OGH hat bereits auf die Bedeutung des Persönlichkeitsschutzes, insb iZm dem Gesundheitszustand von AN und der Weisungsbefugnis von AG, hingewiesen. Den – grundsätzlich „staatsgerichteten“ – Grundrechten (hier: Art 8 EMRK – Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) kommt im Privatrecht aufgrund mittelbarer Drittwirkung über verfassungskonforme Auslegung privatrechtlicher Normen (insb Generalklauseln und unbestimmter Gesetzesbegriffe) und Lückenschließung Bedeutung zu (Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], ABGB3, § 16 Rz 23 ff). Daraus ergeben sich im Arbeitsrecht Beschränkungen des Weisungsrechts von AG (Aicher in Rummel/Lukas [Hrsg], ABGB4, § 16 Rz 42).
Nach hA hat die von AN gem § 8 Abs 8 AngG/§ 4 Abs 1 EFZG auf Verlangen ihrer AG vorzulegende ärztliche Bestätigung keine Diagnose zu enthalten (Drs in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3, § 8 AngG Rz 74; Melzer-Azodanloo in Löschnigg [Hrsg], AngG10, § 8 Rz 261 f; Burger in Reissner [Hrsg], AngG3, § 8 Rz 37; OGH9 ObA 236/89
Welche Fragen an StellenbewerberInnen gerichtet werden dürfen, ohne deren Persönlichkeitsrechte zu verletzen, ist von der Art des Arbeitsplatzes abhängig. IdR wird ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse der AG an der Beantwortung ihrer Fragen erforderlich sein. Fragen nach dem Gesundheitszustand müssen wahrheitsgemäß beantwortet werden, wenn dieser für die zu besetzende Position objektiv von Bedeutung ist (Egermann in Mazal/Gruber-Risak, Das Arbeitsrecht, 36. ErgLfg, Kap V, Rz 1 f). Zu beachten sind dabei auch datenschutzrechtliche Bestimmungen (Greifeneder in Reissner/Neumayr [Hrsg], Zeller HB AV-Klauseln2 [2019] 983 f). Als zulässig sind Fragen nach dem Gesundheitszustand insoweit zu beurteilen, als eine Gefahr für Leben und Gesundheit anderer 510 besteht (zB wegen der Gefahr einer Ansteckung) oder bestimmte Einschränkungen der Ausübung der in Aussicht genommenen Tätigkeit entgegenstehen (Auer-Mayer in Reissner/Neumayr [Hrsg], Zeller HB Betriebsvereinbarungen [2014] 81).
Die Rsp billigt den AG grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran zu, zu fragen, ob AN begünstigte Behinderte sind, weil es sich dabei um eine Angelegenheit handelt, die infolge gesetzlicher Bestimmungen unmittelbar Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses hat. Hat der/die AN jedoch seine/ihre arbeitsvertraglichen Pflichten anstandslos erfüllt und hat sich die Behinderteneigenschaft somit weder auf die Einsatzfähigkeit ausgewirkt noch war eine Gefährdung anderer Personen im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistungen gegeben, führt die Nichtmeldung der Behinderteneigenschaft nicht zu einer Vertrauenserschütterung, die eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar machen würde (OGH9 ObA 240/02pinfas 2003 A 74). Überdies steht dem Informationsinteresse des/der AG das Interesse des/der AN auf Erlangung des von ihm/ ihr angestrebten Arbeitsplatzes gegenüber (OGH9 ObA 46/07sDRdA 2009/21 [Spitzl]). Wenn daher weder für die Begründung noch für das laufende Arbeitsverhältnis des/der AN ein weiteres Informationsbedürfnis des/der AG ersichtlich ist, das für die Gestaltung des Arbeitsfeldes erforderlich wäre, muss es dem/der AN überlassen bleiben, konkrete Angaben über seine/ihre Beeinträchtigungen zu machen. Eine Offenlegungspflicht trifft ihn insofern nicht; dasselbe gilt für die Vorlage von Befunden (OGH9 ObA 107/15yDRdA 2016/38 [Pfalz] = ZAS 2017/13 [Nahler]).
Eine gewisse Bedeutung haben sogenannte „Krankenstandsrückkehrgespräche“ gewonnen. Die Sinnhaftigkeit und Zulässigkeit derartiger Gespräche hängt davon ab, welcher Zweck damit verfolgt und wie dabei vorgegangen wird. Ein derartiges Gespräch kann der Fürsorgepflicht des/der AG dienen, indem er/sie sich darüber Klarheit verschafft, ob der/die AN gesundheitlich oder – insb nach längeren Abwesenheiten – auch fachlich ausreichend einsatzfähig ist oder Einschränkungen bzw Schulungsbedarf bestehen. Auch hat der/ die AG den/die AN über während der Abwesenheit erfolgte Änderungen zu informieren (Risak, Arbeitgeberrechte im Krankenstand, ZAS 2010/11 [C.2]). Die Fürsorgepflicht des/der AG geht aber nur soweit, als der/die AN bereit ist, über den aktuellen Gesundheitszustand zu sprechen (Graf-Schimek/Schuster, Arbeitsrechtliche Aspekte bei psychischen Erkrankungen, dargestellt am Beispiel von Burnout, ZAS 2011/49 [A.3]). Der/die AN ist auch hier nicht verpflichtet, ärztliche Diagnosen bekannt zu geben. Einschränkungen hinsichtlich des Arbeitseinsatzes, aber auch zukünftige Kontroll- oder Therapietermine müssen dem/der AG jedoch sobald als möglich offengelegt werden, da ansonsten eine Verletzung der Treuepflicht vorliegt (Risak, Arbeitgeberrechte im Krankenstand, ZAS 2010/11 [C.2]; Graf-Schimek/Schuster, Arbeitsrechtliche Aspekte bei psychischen Erkrankungen, dargestellt am Beispiel von Burnout, ZAS 2011/49 [A.3]).
Eine Pflicht von AG, im Falle der Unfähigkeit von AN aus gesundheitlichen Gründen, die bisherige Arbeit weiter zu verrichten, einen Ersatzarbeitsplatz zu suchen, kann sich aus verschiedensten Rechtsgrundlagen ergeben.
Eine derartige Pflicht resultiert etwa aus dem besonderen Kündigungsschutz von begünstigten Behinderten (§ 8 Abs 4 lit b BEinstG, wobei hier iSd § 8 Abs 4a BEinstG auch das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung zu beachten ist – siehe dazu etwa OGH9 ObA 165/13zDRdA 2015/14 [Auer-Mayer]) oder jenem von Betriebsratsmitgliedern (§ 121 Abs 2 ArbVG). Ähnliche Verpflichtungen ergeben sich bspw auch beim besonderen Kündigungsschutz von Vertragsbediensteten (siehe etwa OGH8 ObA 35/16dDRdAinfas 2016/181 = ARD 6513/15/2016; OGH9 ObA 145/15m ARD 6577/8/2017; OGH8 ObA 188/00f Arb 12.072; OGH9 ObA 18/92
Auch beim allgemeinen Kündigungsschutzes des § 105 ArbVG wird (insb bei älteren und länger beschäftigten AN) von AG im Rahmen der sozialen Gestaltungspflicht verlangt, dass bei partieller Arbeitsunfähigkeit Ersatzarbeitsplätze gesucht werden (OGH9 ObA 137/17pDRdA 2019/2 [Bachhofer]; OGH9 ObA 123/18fDRdA-infas 2019/68; OGH8 ObA 172/98x
; Wolliger in Neumayr/Reissner, ZellKomm3, § 105 ArbVG Rz 200 mwN; Gahleitner in Gahleitner/Mosler [Hrsg], ArbVG6, § 105 Rz 143 mwN; für eine derartige soziale Gestaltungspflicht auch bei anderen AN etwa Kollros, Soziale Gestaltungspflicht bei krankheitsbedingten Kündigungen, ecolex 2010, 177 [B.3 mwN]).Weiters besteht beim Austrittsgrund der (partiellen) Dienstunfähigkeit bzw der Gesundheitsgefährdung gem § 26 Z 1 AngG sowie beim Entlassungsgrund der dauernden Dienstunfähigkeit gem § 27 Z 2 AngG eine Pflicht bzw (iZm einem Austritt) Obliegenheit des/der AG, zumutbare Ersatzbeschäftigungen zu suchen (siehe etwa Pfeil in Neumayr/Reissner, ZellKomm3, § 26 AngG Rz 11 ff und § 20 AngG Rz 67).
In all diesen Fällen sind AG auf die Mitwirkung ihrer AN angewiesen. Dies beginnt bereits damit, dass der/die AG häufig keine ausreichenden Informationen darüber hat, ob der/die AN für die bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen 511weiter geeignet ist. Nach den zuvor dargestellten Grundsätzen wäre der/die AN (bei entsprechender Kenntnis) verpflichtet, auf derartige Umstände hinzuweisen, damit weitere Dispositionen getroffen und auch eine Ersatztätigkeit gesucht werden kann. Zum allgemeinen Kündigungsschutz und der dabei von dem/der AG bei erhöhten Krankenständen zu erstellenden Zukunftsprognose (sowie der diesbezüglichen Mitwirkungspflicht des/der AN) hat der OGH eine fehlende Mitwirkung des/der AN zu dessen/deren Lasten gewertet, geht somit von einer Mitwirkungsobliegenheit aus (OGH9 ObA 137/17pDRdA 2019/12 [Bachhofer]; für eine Mitwirkungsobliegenheit in derartigen Fällen auch Kuras/Spenling, Prognostizierte Krankenstände als Kündigungs-, Entlassungs-und Pensionierungsgrund, in Liber Amicorum für Peter Bauer [2019] 53 [62 ]; zur Unterscheidung zwischen Pflicht und Obliegenheit siehe unten Pkt 3). Auch was die konkrete Ersatztätigkeit betrifft, sind AG auf ein Minimum an Informationen durch ihre AN angewiesen, da ansonsten nicht beurteilt werden kann, welche Ersatztätigkeit infrage kommt.
ISd Wahrung der Persönlichkeitsrechte der AN ist das Ausmaß der zur Verfügung stellenden Informationen jedenfalls auf das erforderliche Ausmaß zu beschränken. AN wären daher weder zur Vorlage des im Verfahren zur Erlangung des Behindertenstatus erstellten Gutachtens (wobei den AG in diesem Verfahren gem § 14 BEinstG keine Parteistellung zukommt – VfGHB 639/87 infas 1989 A 99) noch zu einer Untersuchung durch von AG namhaft gemachte ÄrztInnen verpflichtet. Problematisch erscheint hier angesichts der bisherigen Ausführungen auch eine Pflicht zur Vorlage von Befunden bzw Attesten (und die Bekanntgabe einer bestimmten Diagnose). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Rsp selbst im Falle der Aufklärungspflicht von AN über eine Dienstunfähigkeit/ Gesundheitsgefährdung (vor Ausübung des Austrittsrechtes gem § 26 Z 1 AngG, um den AG die Möglichkeit zu geben, Ersatztätigkeiten zu suchen) nicht verlangt, dass diese bereits nachgewiesen wird (OGH9 ObA 113/99d
Nach den in der Begründung der OGH-E zitierten Tatsachenfeststellungen ging der AN von einer psychischen Erkrankung aufgrund einer Mobbingsituation aus. AG sind bei derartigen Vorwürfen zunächst verpflichtet, den Sachverhalt zu ermitteln und (sofern der Vorwurf zurecht besteht) das Mobbing umgehend und wirksam abzustellen (Kolodej/Majoros, Mobbing und die Fürsorgepflicht des/der AG, DRdA 2010, 157). Wenn dem/der AG Gefährdungen zur Kenntnis gelangen, hat er/sie daher unverzüglich auf angemessene Weise Abhilfe zu schaffen. Der/die AG ist allerdings in der Wahl der Mittel, ein Mobbinggeschehen auf angemessene, aber wirksame Weise zu unterbinden, frei. Verletzt der/die AG schuldhaft seine/ihre Fürsorgepflicht und entsteht dem/der AN ein Schaden, so trifft den/die AG eine Schadenersatzpflicht (OGH9 ObA 131/11xDRdA 2013 [Smutny] = JBl 2014, 460 [Mosler]).
Im konkreten Fall wäre es somit zunächst die Pflicht des AG gewesen, die vom AN erhobenen Mobbingvorwürfe zu überprüfen und dann (je nach Ergebnis dieser Sachverhaltsermittlung) weitere Schritte zu setzen. Sollten – davon unabhängig – dem AG tatsächlich begründete Zweifel über die Arbeitsfähigkeit des AN kommen, wäre der AG berechtigt (bzw auch verpflichtet), mit dem AN diesbezüglich das Gespräch zu suchen (allenfalls nach Beendigung des Krankenstandes). Zu berücksichtigen ist dabei auch § 6 Abs 1 BEinstG. Danach besteht ergänzend zum allgemeinen AN-Schutz eine besondere Fürsorgepflicht des/der AG, dem/ der behinderten AN einen Arbeitsplatz zuzuweisen, an dem er/sie seine/ihre Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann (OGH9 ObA 114/17f Arb 13.449; OGH9 ObA 21/08s ARD 6000/4/2009; OGH8 ObA 111/03mDRdA 2004, 561; OGH8 ObA 303/95DRdA 1996, 245). Auch unabhängig von einer Behinderung können sich solche Pflichten aus der Fürsorgepflicht von AG insb dann ergeben, wenn derartige Beeinträchtigungen die Folge von Mobbing sind (somit mit der Situation am Arbeitsplatz im Zusammenhang stehen).
Verweigert der/die AN seine/ihre Mitwirkung, wird in jenen Fällen, in denen dies lediglich dazu führt, dass der/die AG seine/ihre Fürsorgepflicht nicht wahrnehmen kann, von einer Obliegenheitsverletzung des/der AN auszugehen sein. Unter „Obliegenheiten“ versteht man „Rechtspflichten minderer Art“. Ihnen entspricht auf der Seite des Partners kein subjektives Recht, weshalb sie nicht unmittelbar durchgesetzt werden können. Die Nichtbefolgung der Obliegenheit zieht auch keine Schadenersatzpflichten nach sich, sie wirkt sich allerdings in sonstiger Weise zum Nachteil des/der mit ihr Belasteten aus (Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 [2018] Rz 169). Einzige Rechtsfolge wäre in diesem Fall daher, dass der/die AG zu keiner weitergehenden Fürsorge verpflichtet ist. Lediglich dann, wenn dabei auch die Interessensphäre des/der AG (oder anderer Personen) beeinträchtigt würde, würde sich die Frage einer Mitwirkungspflicht des/der AN ieS ergeben, die von dem/der AG auch eingefordert werden könnte. 512